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Die Jungfrau Im Eis

Die Jungfrau Im Eis

Titel: Die Jungfrau Im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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dann nicht auch den Mördern in die Hände fallen können? Mein Kind, wenn die Menschen während der letzten fünf Jahrhunderte nicht getan hätten, was sie getan haben, hätten die Dinge sich gewiß anders entwickelt - aber wäre das unbedingt besser gewesen? Es hat keinen Sinn, sich den Kopf über ›Wenn‹ und ›Falls‹ zu zerbrechen. Wir müssen von dort ausgehen, wo wir stehen, die Verantwortung für unsere Sünden übernehmen und unser Schicksal in Gottes Hand legen.«
    Plötzlich brach Ermina in haltloses Weinen aus, aber sie wollte nicht, daß er ihre Tränen sah. Sie stürzte davon und warf sich zitternd vor dem Altar auf die Knie. Dort verharrte sie lange Zeit. Er ging ihr nicht nach, sondern wartete geduldig, bis sie sich erhob. Als sie zurückkam, war ihr Gesicht verweint aber gefaßt. Sie sah müde, sehr jung und verwundbar aus.
    »Kommt zurück ans Feuer«, sagte Cadfael. »Ihr werdet Euch hier nur erkälten.«
    Fügsam ging sie mit, froh, wieder am warmen Kamin sitzen zu können. Sie hörte auf zu zittern, sank in den Sessel zurück und schloß ihre Augen halb, aber als er eine Bewegung machte, als wolle er gehen, sah sie schnell auf. »Bruder Cadfael, als der Bote aus Worcester sich nach uns erkundigte, erwähnte er da, daß unser Onkel d'Angers in England sei?«
    »Ja. Und nicht nur in England, sondern in Gloucester, bei den Truppen der Kaiserin.« Das war es, worauf sie hinausgewollt hatte, aber sie hatte sich lieber behutsam vortasten wollen. »Er bat offen und ehrlich darum, das Gebiet des Königs betreten zu dürfen, um Euch zu suchen, aber die Erlaubnis dazu wurde verweigert. Der Sheriff versprach, mit seinen eigenen Männern nach Euch Ausschau zu halten, aber er wollte keinen Gefolgsmann der Kaiserin in seine Grafschaft lassen.«
    »Und sollte man einen solchen hier, auf der Suche nach uns, finden und gefangennehmen - was würde dann mit ihm geschehen?«
    »Er würde behandelt werden wie ein Kriegsgefangener. Es ist die Pflicht des Sheriffs, die Kriegsmacht der Feinde des Königs zu schwächen, indem er jeden, der zu ihnen gehört, gefangennimmt, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Das müßt Ihr verstehen. Ein Ritter weniger für die Kaiserin ist einer mehr für den König.« Er bemerkte ihren zweifelnden und ängstlichen Blick und lächelte. »Das ist die Pflicht des Sheriffs.
    Meine Pflichten lauten anders. Unter ehrenwerten Männern und aufrechten Christen kann ich, auf welcher Seite auch immer, keine Feinde entdecken. Ich habe mich anderen Regeln unterworfen. Zwischen mir und einem Mann, der nichts weiter tut, als Kinder in Sicherheit zu bringen und ihrem getreuen Vormund zuzuführen, besteht keine Feindschaft.«
    Sie runzelte leicht die Stirn, als er das Wort ›Kinder‹ aussprach, dann aber lachte sie, mit verärgerter Offenheit, über ihr eigenes kindisches Verhalten. »Dann würdet Ihr einen solchen Mann also nicht einmal Eurem Freund ausliefern?«
    Cadfael nahm ihr gegenüber Platz und setzte sich bequem hin, denn er hatte den Eindruck, daß sie etwas auf dem Herzen hatte, dessen sie sich entledigen wollte. »Ich habe Euch gesagt, daß ich in dieser Sache für niemanden Partei ergreife, und Hugh Beringar würde von mir nicht erwarten, daß ich in allen Dingen auf seiner Seite stehe. Er tut seine Pflicht und ich die meine. Aber ich will Euch nicht verschweigen, daß er bereits von der Anwesenheit eines Fremden in dieser Gegend weiß, eines Fremden, der sich in Cleeton nach den Dreien erkundigt hat, die gemeinsam aus Worcester geflohen sind. Seiner Kleidung nach zu schließen ein Bauer, so heißt es - jung und hochgewachsen, mit den Augen eines Falken und einer Hakennase, schwarzen Haaren und dunkler Haut.« Sie hörte ihm aufmerksam zu, biß sich auf die Unterlippe und wurde abwechselnd blaß und rot. »Und er trug ein Schwert unter seinem Umhang«, fügte Cadfael hinzu.
    Sie saß reglos da und dachte nach. Das Gesicht über ihrer Schulter, das er im Licht der Fackeln vor dem Torhaus gesehen hatte, stand Cadfael deutlich vor Augen, und offenbar hatte auch sie es keineswegs vergessen. Einen Augenblick lang glaubte er, sie würde Ausflüchte machen, den Mann verleugnen und behaupten, ihr Führer sei der gewesen, für den sie ihn ausgegeben hatte: der Sohn eines Wäldlers. Aber dann beugte sie sich vor und begann mit ungestümem Eifer zu sprechen.
    »Ich werde Euch alles erzählen! Und ich werde noch nicht einmal Stillschweigen von Euch verlangen, denn ich weiß, das wird nicht

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