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Die Jury

Titel: Die Jury Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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dann aufs Pult und erklärte, Carl Lee Hailey hätte sie benutzt, weil er von Vietnam her damit vertraut gewesen wäre. »Er wußte, wie man damit schoß und tötete. Es ist eine illegale Waffe. Man kann sie nicht in einem Warenhaus kaufen. Er mußte sie sich auf anderem Wege beschaffen. Anders ausgedrückt: Er hat alles gründlich geplant.«
    Buckley kündigte eindeutige Beweise für kaltblütigen, vorsätzlichen Mord an.
    Und dann Deputy DeWayne Looney. Seit vierzehn Jahren für den Sheriff tätig. Familienvater und einer der besten Polizisten von Clanton. Im Dienst niedergeschossen, von Carl Lee Hailey. Die Ärzte hatte ihm einen Teil des Beins amputieren müssen. »Welche Schuld traf ihn? Gar keine. Die Verteidigung versucht vielleicht, diese Tragödie als Unfall darzustellen, aber das ist absurd. Für diese Gewalt gibt es keine Entschuldigung, meine Damen und Herren. Der Angeklagte muß verurteilt werden!«
    Beide Anwälte hatten jeweils eine Stunde für das Eröffnungsplädoyer, und Buckley erlag der großen Versuchung. Er wiederholte sich. Zweimal verlor er den Faden, als er sich über den Trick mit der Unzurechnungsfähigkeit ausließ. Langeweile erfaßte die Geschworenen, und ihre Blicke schweiften durch den Saal. Die Zeichner zeichneten nicht mehr. Die Reporter ließen ihre Kugelschreiber sinken, und Noose putzte seine Brille sieben- oder achtmal. Es war allgemein bekannt, daß der Richter seine Brille putzte, um wach zu bleiben, und meistens konnte man dieses Ritual während eines Prozesses häufig beobachten. Jake hatte gesehen, wie er mit Taschentüchern, der Krawatte oder dem Hemd imaginäre Flecken von den Gläsern wischte, während Zeugen in Tränen ausbrachen und wild gestikulierende Anwälte schrien. Er überhörte kein einziges Wort und keinen einzigen Einspruch – aber er langweilte sich, selbst bei einem so wichtigen Verfahren wie diesem: der Staat Mississippi gegen Carl Lee Hailey. Er schlief nie ein, obwohl es ihm manchmal sehr schwerfiel, die Augen offenzuhalten. Statt dessen nahm er die Brille ab, betrachtete sie im Licht, behauchte sie und rieb so hingebungsvoll, als hätte sich eine zentimeterdicke Staubschicht auf den Gläsern gebildet. Anschließend setzte er sie wieder auf, so daß sie knapp über der Warze ruhte. Fünf Minuten später war sie erneut schmutzig. Je länger Buckley schwatzte, desto öfter mußte die Brille gereinigt werden.
    Nach anderthalb Stunden beendete Rufus seinen Monolog, und der Gerichtssaal seufzte erleichtert auf.
    »Zehn Minuten Pause«, sagte Noose, rutschte vom Richterstuhl und ging durch sein Büro zur Toilette.
    Jake hatte ein kurzes Eröffnungsplädoyer geplant, und nach Buckleys Marathon beschloß er, sich noch kürzer zu fassen. Die meisten Leute mögen keine Anwälte, erst recht keine langatmigen und weitschweifigen, die glauben, jeder unwichtige Punkt müsse mindestens dreimal erwähnt werden, während die wichtigen noch viel mehr Wiederholungen erforderten. Was die Geschworenen betraf... Sie mögen keine Anwälte, die Zeit vergeuden, und das aus gutem Grund. Erstens: Sie können die Redner nicht auffordern, endlich den Mund zu halten. Sie sind hilflose Opfer. Außerhalb des Gerichtssaals ist es möglich, den Vortrag eines Anwalts zu unterbrechen und ihn zu beschimpfen, aber wer auf der Geschworenenbank sitzt, ist zum Schweigen verpflichtet. Deshalb bleibt ihnen nichts anderes übrig, als zu schlafen, zu schnarchen, finster zu blicken, unruhig hin und her zu rutschen und auf die Uhr zu sehen. Es gibt noch viele andere Signale dieser Art, doch langweilige Anwälte reagieren nicht darauf. Zweitens: Mitglieder der Jury verabscheuen lange Prozesse.
    Lassen wir den ganzen Unsinn; kommen wir endlich zur Sache. Gebt uns die Fakten, und wir geben euch ein Urteil.
    Jake erläuterte das seinem Klienten während der Pause.
    »Ich bin der gleichen Meinung«, sagte Carl Lee. »Fassen Sie sich kurz.«
    Brigance beschränkte sich auf vierzehn Minuten, und die Geschworenen wußten jedes Wort zu schätzen. Er begann, indem er über Töchter sprach und darauf hinwies, daß sie etwas Besonderes darstellten. Sie unterschieden sich von kleinen Jungen und brauchten speziellen Schutz. Er erzählte von seiner eigenen Tochter und der tiefen Beziehung zwischen ihm und Hanna, die nicht erklärt werden konnte und die niemand beeinträchtigen durfte. Er gestand ein, daß er Mr. Buckley und seine angebliche Fähigkeit bewundere, betrunkenen Perversen zu verzeihen, die über seine

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