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Die Jury

Titel: Die Jury Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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betrauern und Ihren Kummer in Bier ertränken. Ich wußte, daß Sie keine Zeit finden würden, irgend etwas vorzubereiten, und deshalb beschloß ich, die Arbeit für Sie zu erledigen.«
    »Leider bin ich nicht imstande, so nüchtern zu bleiben wie Sie, Lucien.«
    »Betrunken war ich ein besserer Anwalt als Sie im nüchternen Zustand.«
    »Wenigstens bin ich Anwalt.«
    Lucien reichte Jake einen Block.
    »Da ist der Text. Eine Zusammenstellung aus meinen besten Schlußplädoyers. Lucien Wilbanks in Höchstform. Für Sie und Ihren Klienten. Sie sollten die Ansprache Wort für Wort auswendig lernen und in dieser Form verwenden. An der Qualität kann kein Zweifel bestehen. Versuchen Sie nicht, Verbesserungen vorzunehmen. Damit würden Sie nur alles vermasseln.«
    »Ich denke darüber nach. Ein solches Plädoyer halte ich nicht zum erstenmal.«
    »Diesmal ist es besser, auf Nummer Sicher zu gehen und jedes Risiko zu vermeiden.«
    »Verdammt, Lucien, ich weiß, worauf es dabei ankommt!«
    »Regen Sie sich nicht auf, Jake. Lassen Sie uns was trinken. Sallie! Sallie!«
    Jake warf das Meisterwerk auf die Couch und trat zum Fenster, das Ausblick auf den rückwärtigen Garten gewährte.
    Sallie eilte die Treppe hoch und nahm eine Bestellung entgegen:
    Whisky und Bier.
    »Waren Sie die ganze Nacht auf den Beinen?« fragte Lucien. »Nein. Ich habe von elf bis zwölf geschlafen.«
    »Sie sehen schrecklich aus und brauchen dringend Ruhe.«
    »Ich fühle mich schrecklich und finde erst nach dem Prozeß Ruhe. Ich verstehe es einfach nicht, Lucien. Ich verstehe nicht, warum alles schiefgegangen ist. Bei Gott, wir hätten ein wenig Glück verdient. Aber wir bekamen die schlechteste denkbare Jury – eine Jury, die manipuliert worden ist, obwohl ich das nicht beweisen kann. Buckley hat die Glaubwürdigkeit unseres Hauptzeugen vollständig zerstört. Die Aussage des Angeklagten war ausgesprochen schlecht. Und die Geschworenen vertrauen mir nicht. Kann es noch schlimmer kommen?«
    »Sie haben nach wie vor die Möglichkeit, den Prozeß zu gewinnen, Jake. Ein Wunder ist nötig, aber manchmal geschieht so etwas. Mit einem guten Schlußplädoyer gelang es mir mehrmals, die Staatsanwaltschaft um den sicher geglaubten Sieg zu bringen. Konzentrieren Sie sich auf ein oder zwei Jurymitglieder. Sprechen Sie nur zu ihnen. Appellieren Sie an ihr Mitgefühl. Denken Sie daran: Die Geschworenen müssen einen einstimmigen Beschluß fassen. Wenn auch nur einer von ihnen anderer Meinung ist, endet das Verfahren ohne Ergebnis.«
    »Soll ich ihnen Tränen entlocken?«
    »Warum nicht? Aber es ist alles andere als einfach. Ich glaube an Tränen auf der Geschworenenbank. Sie sind sehr wirkungsvoll.«
    Sallie brachte die Drinks, und sie folgten ihr nach unten auf die Veranda. Nach dem Sonnenuntergang servierte die Schwarze Sandwiches und Bratkartoffeln. Um zehn entschuldigte sich Jake und suchte sein Zimmer auf. Er rief Carla an und sprach eine Stunde lang mit ihr. Das Haus wurde nicht erwähnt. In seiner Magengrube krampfte sich etwas zusammen, als er ihre Stimme hörte und begriff: Bald mußte er ihr mitteilen, daß das viktorianische Haus, ihr gemeinsames Heim, nicht mehr existierte. Schließlich legte Jake auf und hoffte inständig, daß Carla nichts über den Brand in der Zeitung las.
40
    A m Montagmorgen herrschten wieder die üblichen Verhältnisse in Clanton, als am Platz Absperrungen entstanden und Soldaten ausschwärmten, um die öffentliche Ordnung zu gewährleisten. In lockerer Formation schritten sie umher und beobachteten, wie die Kluxer im ihnen zugewiesenen Bereich Aufstellung bezogen, während sich die Schwarzen auf der anderen Seite versammelten. Der Ruhetag hatte die Kräfte der beiden Gruppen erneuert, und bereits um acht Uhr dreißig schrien sie aus vollem Hals. Die Entlarvung von Dr. Bass war allgemein bekanntgeworden, und der Klan witterte einen Sieg. Außerdem verbuchte er den Brand an der Adams Street als vollen Erfolg. An diesem Morgen schienen die Kuttenträger noch lauter zu sein als sonst.
    Um neun bestellte Noose die Anwälte in sein Büro. »Ich wollte nur sicher sein, daß Sie leben und wohlauf sind«, sagte er zu Jake und lächelte.
    »Warum lecken Sie mich nicht am Arsch, Richter?« erwiderte Jake leise – aber laut genug, um gehört zu werden. Buckley und Musgrove erstarrten. Mr. Pate räusperte sich.
    Noose neigte den Kopf zur Seite und runzelte die Stirn. »Wie bitte, Mr. Brigance?«
    »Ich sagte: Warum fangen wir nicht an,

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