Die Jury
von Cobb und Willard führten?«
»Ja, wir unterhielten uns ziemlich ausführlich darüber. Ich versuchte herauszufinden, wie bewußt ihm die Geschehnisse sind, die mit dem Tod der beiden Männer endeten.«
»Was hat Ihnen der Angeklagte gesagt?«
»Zuerst nur wenig. Aber im Lauf der Zeit gab er seinen inneren Widerstand auf und erklärte, daß er sich drei Tage vor dem Doppelmord im Gerichtsgebäude nach einem geeigneten Versteck umgesehen habe.«
»Was ist mit den unmittelbaren Umständen des Verbrechens?«
»Mr. Hailey nannte nur wenige Einzelheiten und meinte, er erinnere sich nicht mehr daran. Eine Lüge, wie ich vermute.«
Jake sprang auf. »Einspruch! Die Aussage des Zeugen muß sich auf ihm bekannte Fakten beziehen. Er darf nicht spekulieren.«
»Stattgegeben. Bitte fahren Sie fort, Mr. Buckley.«
»Was haben Sie sonst im Hinblick auf die Gefühle, Ansichten und Verhaltensweisen des Angeklagten beobachtet?«
Rodeheaver schlug die Beine übereinander und wippte einige Male mit dem Fuß. Nachdenkliche Falten formten sich auf seiner Stirn. »Zu Anfang mißtraute mir Mr. Hailey und mied meinen Blick. Er gab nur sehr knappe Antworten. Es gefiel ihm nicht, während seines Aufenthalts in der Klinik bewacht zu werden und gelegentlich Handschellen zu tragen. Er fragte nach dem Sinn der gepolsterten Wände in seiner Zelle. Doch nach einer Weile ging er mehr aus sich heraus, und daraufhin sprachen wir praktisch über alles. Einige Fragen ignorierte er einfach, aber ansonsten war er sehr kooperativ.«
»Wann und wo haben Sie ihn noch einmal untersucht?«
»Am nächsten Tag am gleichen Ort.«
»Was können Sie uns über seine Gefühle und Haltung Ihnen gegenüber sagen?«
»Zunächst begegnete er mir ebenso kühl wie am Vortag, aber dann wurde er gesprächiger. Wir unterhielten uns über die gleichen Themen.«
»Wie lange dauerte die zweite Untersuchung?«
»Ungefähr vier Stunden.«
Buckley las einige Notizen auf seinem Block und flüsterte mit Musgrove. »Nun, Dr. Rodeheaver, sind Sie aufgrund der Untersuchungen vom 19. und 20. Juni in der Lage, den geistigen Zustand des Angeklagten zum genannten Zeitpunkt zu beurteilen?«
»Ja, Sir.«
»Wie lautet Ihre Diagnose?«
»Am 19. und 20. Juni hatte ich es mit einem geistig gesunden Mr. Hailey zu tun. Er erschien mir völlig normal.«
»Danke. Sind Sie aufgrund der Untersuchungen imstande, Mr. Haileys psychischen Zustand an jenem Tag zu beurteilen, an dem er Billy Ray Cobb und Pete Willard erschoß?«
»Ja.«
»Wie lautet Ihre Diagnose?«
»Meiner Ansicht nach war sein geistiger Zustand zum Tatzeitpunkt einwandfrei. Er litt an keinen mentalen Störungen.«
»Auf welchen Faktoren basiert diese Einschätzung?«
Rodeheaver sah zur Jury und verwandelte sich in einen Professor. »Bei diesem Verbrechen muß man das Ausmaß des Vorsatzes berücksichtigen. Das Motiv ist ein Element des Vorbedachts. Mr. Hailey hatte ein Motiv, und sein geistiger Zustand hinderte ihn nicht am notwendigen Vorsatz. Um es ganz deutlich auszudrücken: Er hat den Doppelmord sorgfältig geplant.«
»Doktor, sind Sie mit der M'Naghten-Regel als Maßstab für Schuld und Verantwortung des Angeklagten vertraut?«
»Natürlich.«
»Ist Ihnen bekannt, daß ein anderer Psychiater – Dr. W. T. Bass – hier vor Gericht aussagte, Mr. Hailey sei nicht in der Lage gewesen, zwischen Richtig und Falsch zu unterscheiden und die Konsequenzen seines Handelns zu überblicken?«
»Ja, das ist mir bekannt.«
»Stimmen Sie diesen Angaben zu?«
»Nein. Ich finde eine solche Vorstellung absurd und lehne sie strikt ab. Mr. Hailey hat zugegeben, daß er den Doppelmord plante. Er bestätigte also, daß ihn seine geistige Verfassung nicht daran hinderte, Vorbereitungen für ein Verbrechen zu treffen. Damit sind alle juristischen Voraussetzungen für Vorbedacht erfüllt. Ich halte es für grotesk, daß sich jemand auf Unzurechnungsfähigkeit beruft, der einen Mord plante und kaltblütig verübte.«
In diesen Sekunden teilte Jake die Meinung des Sachverständigen, und das galt vermutlich auch für alle anderen Anwesenden im Saal. Rodeheaver klang sehr überzeugend und glaubwürdig. Brigance dachte an Bass und fluchte lautlos.
Lucien saß bei den Schwarzen, hörte aufmerksam zu und mußte sich eingestehen, daß dieser Psychiater einen sehr guten Eindruck hinterließ. Den Geschworenen schenkte er keine Beachtung. Er wandte nicht den Kopf, doch aus den Augenwinkeln sah er, daß ihn Clyde Sisco ganz offen
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