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Die Jury

Titel: Die Jury Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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inkompetenter Verteidigung verklagt zu werden. Ein solcher Vorwurf wäre sogar gerechtfertigt. Ja, man stellt mich wegen sträflicher Unfähigkeit vor Gericht. Ich habe keine Frau, keine Tochter, kein Haus, keine Praxis, keine Klienten, kein Geld – überhaupt nichts.«
    »Sie brauchen psychiatrische Hilfe, Jake. Vereinbaren Sie einen Termin mit Dr. Bass. Hier, nehmen Sie noch ein Bier.«
    »Möglicherweise ziehe ich zu Lucien und sitze mit ihm den ganzen Tag auf der Veranda.«
    »Bitte überlassen Sie mir Ihr Büro.«
    »Glauben Sie, daß sich meine Frau von mir scheiden läßt?«
    »Wahrscheinlich. Ich habe vier Scheidungen hinter mir, und daher weiß ich, daß Frauen praktisch jeden Anlaß nutzen, um sich von ihren Männern zu trennen.«
    »Carla ist eine Ausnahme. Ich küsse den Boden, über den sie geht, und das weiß sie.«
    »Sie wird auf dem Boden schlafen müssen, wenn sie nach Clanton zurückkehrt.«
    »Nein, wir besorgen uns einen gemütlichen, großen Wohnwagen. Das genügt völlig, bis wir wieder zu Geld kommen. Dann kaufen wir ein anderes altes Haus und fangen noch einmal von vorn an.«
    »Ich schätze, Sie müssen sich eine andere Frau suchen und mit ihr von vorn anfangen. Warum sollte Carla ein komfortables Strandhaus aufgeben, um sich in Clanton mit einem Wohnwagen abzufinden?«
    »Weil ich in dem Wohnwagen auf sie warte.«
    »Das reicht nicht, Jake. Sie werden ein betrunkener, bankrotter, aus der Advokatur ausgeschlossener Anwalt sein, der in einem Wohnwagen haust und sich bis auf die Knochen blamiert hat. Alle Ihre Freunde – abgesehen von Lucien und mir – vergessen Sie. Nein, Carla kehrt nicht zurück. Es ist vorbei, Jake. Ich rate Ihnen, zuerst die Scheidung einzureichen. Am besten gleich morgen – um Ihrer Frau zuvorzukommen.«
    »Warum sollte ich mich von ihr scheiden lassen?«
    »Weil sich Carla ganz bestimmt von Ihnen scheiden lassen will und weil es besser ist, den Spieß umzudrehen. Wir behaupten einfach, sie hätte ihren in Not geratenen Mann im Stich gelassen.«
    »Genügt das als Scheidungsgrund?«
    »Nein, aber wir behaupten auch, daß Sie vorübergehend verrückt geworden seien und unzurechnungsfähig sind. Die M'Naghten-Regel. Überlassen Sie's mir. Ich bin der mit allen Wassern gewaschene Scheidungsanwalt, erinnern Sie sich?«
    »Wie könnte ich das vergessen!«
    Jake schüttete warmes Bier aus der vernachlässigten Flasche und öffnete eine andere. Es regnete jetzt nicht mehr so stark, und erste Lücken entstanden zwischen den Wolken. Kühler Wind wehte vom See her.
    »Man wird Carl Lee verurteilen, nicht wahr?« fragte er und sah in die Ferne.
    Harry Rex kaute nicht mehr, stellte den Pappteller auf den Tisch und trank einen großen Schluck Bier. Der Wind blies ihm einige Regentropfen ins Gesicht, und er wischte sie mit dem Ärmel fort.
    »Ja, Jake. Man wird Ihren Klienten in die Gaskammer schicken. Ich hab's in den Augen der Geschworenen gesehen. Sie wollten Bass ohnehin nicht glauben, und als ihm Buckley die Hosen runterzog, war die Sache gelaufen. Außerdem: Carl Lee hat sich keinen guten Dienst erwiesen. Seine Aussage klang zu glatt, zu eingeübt. Er schien um Mitleid zu flehen und war ein lausiger Zeuge. Ich habe die Jury beobachtet und nirgends Anzeichen von Verständnis entdeckt. Ja, man wird ihn verurteilen. Und zwar nach einer kurzen Beratung.«
    »Danke für Ihre Offenheit.«
    »Ich bin Ihr Freund und gebe Ihnen den Rat, sich auf ein langes Berufungsverfahren vorzubereiten.«
    »Wissen Sie, Harry Rex, ich wünschte, ich wäre Carl Lee Hailey nie begegnet.«
    »Jetzt ist es zu spät, Jake.«
    Sallie öffnete die Tür, sah Jake und meinte, das mit seinem Haus täte ihr sehr leid. Lucien saß oben in seinem Arbeitszimmer und war völlig nüchtern. Er deutete zu einem Stuhl und bat Jake, Platz zu nehmen. Dutzende von Blättern lagen auf seinem Schreibtisch.
    »Ich habe stundenlang an einem Schlußplädoyer gearbeitet«, erklärte er das Durcheinander. »Ihre einzige Hoffnung, Hailey vor einer Verurteilung zu bewahren, besteht in einer Rede, die es wirklich in sich hat. Ich meine, wir sprechen hier vom besten Schlußplädoyer in der Geschichte der amerikanischen Jurisprudenz. Weniger wäre katastrophal.«
    »Und ich nehme an, Ihnen ist ein solches Meisterwerk gelungen.«
    »In der Tat. Mein Entwurf geht über alles hinaus, was Sie zu Papier bringen könnten. Außerdem habe ich richtigerweise vermutet, daß Sie den ganzen Sonntag nachmittag über den Verlust Ihres Hauses

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