Die Jury
Bein amputiert, und er liegt noch immer im Krankenhaus. Der Täter verwendete eine M-16, und die Fingerabdrücke daran stimmen mit denen von Mr. Hailey überein. Mir liegt eine von Deputy Looney unterzeichnete eidesstattliche Erklärung vor: Er hat den Schützen unter Eid als Carl Lee Hailey identifiziert. Es gibt einen Augenzeugen: Murphy, den Hausmeister. Er stottert, aber ich kann ihn holen, wenn Sie möchten.«
»Irgendwelche Fragen?« sagte Buckley schnell.
Nervös beobachtete der Bezirksstaatsanwalt die Geschworenen, die ihrerseits nervöse Blicke auf den Sheriff richteten. Crowell stand nach wie vor am Fenster und kehrte allen anderen den Rücken zu.
»Fragen?« wiederholte Buckley.
»Ja«, brummte Crowell. Er drehte sich um, starrte erst den Staatsanwalt an und dann Ozzie. »Die beiden Kerle, die Hailey erschossen hat... Sie haben seine Tochter vergewaltigt, nicht wahr?«
»Das glauben wir zumindest«, entgegnete der Sheriff. »Einer von ihnen hat es gestanden, stimmt's?«
»Ja.«
Crowell schritt langsam und selbstsicher durchs Zimmer und blieb am gegenüberliegenden Ende der beiden Tische stehen.
»Haben Sie Kinder, Sheriff?«
»Ja.«
»Auch ein kleines Mädchen?«
»Ja.«
»Angenommen, es wird vergewaltigt. Angenommen, Sie könnten es dem Täter heimzahlen. Was unternähmen Sie?«
Ozzie zögerte und sah besorgt zu Buckley, dessen Hals rot anlief.
»Diese Frage brauche ich nicht zu beantworten«, erwiderte der Sheriff.
»Ach, tatsächlich? Sie sind hier, um vor dem großen Geschworenengericht auszusagen, nicht wahr? Als Zeuge, wie? Antworten Sie.«
»Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten würde.«
»Kommen Sie, Sheriff. Geben Sie uns eine ehrliche Antwort. Sagen Sie die Wahrheit. Was unternähmen Sie?«
Ozzie zögerte. Eine Mischung aus Verlegenheit und Verwirrung erfaßte ihn, und gleichzeitig war er wütend auf den Fremden. Er wäre gern bereit gewesen, die Wahrheit zu sagen und in allen Einzelheiten zu beschreiben, wie er den Vergewaltiger seiner Tochter kastriert und verstümmelt hätte.
Aber das durfte er nicht. Vielleicht stimmte ihm das große Geschworenengericht zu. Vielleicht weigerte es sich, Carl Lee anzuklagen. Einerseits entsprach es keineswegs seinem Wunsch, daß man Hailey vor Gericht stellte, andererseits hielt er es für erforderlich. Erneut sah er zu Buckley, der schwitzte und sich setzte.
Crowell entfaltete den Eifer eines Verteidigers, der den wichtigsten Belastungszeugen gerade bei einer Lüge ertappt hatte.
»Nun, Sheriff?« spottete er. »Wir hören Ihnen zu. Sagen Sie uns die Wahrheit. Was hätten Sie mit dem Vergewaltiger angestellt? Heraus damit!«
Buckley war der Panik nahe. Er lief Gefahr, den größten, wichtigsten Fall seiner ganzen beruflichen Laufbahn zu verlieren – nicht während des Prozesses, sondern in der Beratungskammer des großen Geschworenengerichts, bevor das eigentliche Verfahren begann. Ein arbeitsloser Lastwagenfahrer schickte sich an, ihm eine Niederlage beizubringen. Der Staatsanwalt stand auf und suchte nach den richtigen Worten.
»Der Zeuge ist nicht verpflichtet, die Frage zu beantworten.« Crowell wirbelte um die eigene Achse. »Schweigen Sie!« rief er. »Sie sind nicht befugt, uns irgendwelche Anweisungen zu erteilen. Wir können gegen jeden Anklage erheben, oder?« Buckley ließ sich auf den Stuhl sinken und blinzelte verblüfft.
Jemand hatte Crowell eingeschleust. Es gab keine andere Erklärung. Der Kerl war zu clever, um zum großen Geschworenengericht zu gehören. Vielleicht wurde er bezahlt. Er wußte zuviel. Ja, die Jury konnte gegen jeden Anklage erheben.
Crowell kehrte zum Fenster zurück. Alle beobachteten ihn, doch er schwieg.
»Sind Sie absolut sicher, daß Carl Lee Hailey die beiden Männer erschossen hat, Sheriff?« fragte Lemoyne Frady, ein unehelicher Vetter Gwen Haileys.
»Ja, das bin ich«, sagte Ozzie und starrte dabei zu Crowell. »Weshalb sollen wir ihn anklagen?« erkundigte sich Mr.
Frady und machte dabei keinen Hehl aus seiner Bewunderung für den Sheriff.
»Wegen zweifachen vorsätzlichen Mordes und wegen schwerer Körperverletzung.«
»Wie werden solche Verbrechen bestraft?« fragte Barney Flaggs, einer der Schwarzen.
»Vorsätzlicher Mord mit der Gaskammer. Schwere Körperverletzung in bezug auf einen Deputy mit lebenslänglich ohne Bewährung.«
»Und Sie möchten eine solche Anklage, Ozzie?« vergewisserte sich Flaggs.
»Ja, Barney. Ich meine, das große Geschworenengericht sollte Mr. Hailey
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