Die Jury
zu überzeugen, so endet der Prozeß mit einem Freispruch. In Ordnung. Aber es steht Ihnen nicht zu, schon heute zu beschließen, ob Mr. Hailey das Gefängnis als freier Mann verlassen sollte. Dafür ist eine andere Jury zuständig, nicht wahr, Sheriff?«
Ozzie nickte. »Ja, das stimmt. Das große Geschworenengericht erhebt Anklage, wenn genug Belastungsmaterial existiert. Die Jury beim Prozeß wird den Angeklagten freisprechen, wenn es dem Staatsanwalt nicht gelingt, seine Schuld zu beweisen – oder wenn die Verteidigung gute Arbeit leistet. Aber die Entscheidung fällt nicht hier und heute.«
»Weitere Fragen?« kam es besorgt von Buckleys Lippen.
»Stellt jemand einen Antrag?«
»Ich beantrage, daß wir keine Anklage erheben«, knurrte Crowell.
»Ich unterstütze diesen Antrag«, brummte Barney Flaggs. Buckleys Knie zitterten. Er klappte den Mund auf und wieder zu. Ozzie sah es und trachtete danach, seine Schadenfreude zu verbergen.
»Zur Abstimmung«, sagte Mrs. Gossett. »Wer für den Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen.«
Fünf schwarze Hände wurden erhoben, und Crowells gesellte sich ihnen hinzu. Sechs Stimmen. Abgelehnt.
»Und nun?« fragte die Vorsitzende.
»Jetzt muß jemand beantragen, Mr. Hailey wegen zweifachen vorsätzlichen Mordes und wegen schwerer Körperverletzung anzuklagen«, antwortete Buckley. Seine Stimme überschlug sich fast dabei.
»Ich stelle hiermit einen solchen Antrag«, verkündete einer der Weißen.
»Und ich unterstütze ihn», fügte ein zweiter hinzu. »Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen«, sagte Mrs.
Gossett. »Ich zähle zwölf Stimmen. Gegenprobe. Fünf und meine eigene. Zwölf dafür und sechs dagegen. Was bedeutet das?«
»Es bedeutet, daß Mr. Hailey angeklagt wird«, erklärte Buckley stolz. Er atmete jetzt wieder normal, und die Farbe kehrte in sein Gesicht zurück. Nach einigen geflüsterten Worten, die einer Sekretärin galten, wandte er sich an die Geschworenen.
»Ich schlage eine Pause von zehn Minuten vor. Es warten noch vierzig Fälle auf uns; bleiben Sie also nicht zu lange fort. Darüber hinaus möchte ich Sie an einen Hinweis des Richters erinnern. Ihre Beratungen sind streng vertraulich. Außerhalb dieses Zimmers darf nicht darüber gesprochen werden...«
»Damit will er uns folgendes mitteilen«, unterbrach Crowell den Bezirksstaatsanwalt. »Wir dürfen niemandem verraten, daß nur eine weitere Stimme genügt hätte, um eine Anklageerhebung gegen Carl Lee Hailey zu verhindern. Darum geht es Ihnen doch, nicht wahr, Mr. Buckley?«
Rufus verließ das Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu.
Dutzende von Kameramännern und Reportern umgaben Buckley, als er vor dem Gerichtsgebäude auf der Treppe stand und mit Kopien der Anklageschrift winkte. Er hielt einen langen Vortrag, predigte, moralisierte, lobte das große Geschworenengericht, wetterte gegen Verbrecher und Leute, die Selbstjustiz übten, verurteilte Carl Lee Hailey. Man beginne mit dem Prozeß. Man vereidige die Geschworenen. Buckley garantierte eine Verurteilung. Er garantierte die Todesstrafe. Er sprach herablassend, hochmütig, überheblich und selbstgerecht. Er zeigte sich von seiner wahren Seite, offenbarte alle schlechten Eigenschaften, die ihn zu Rufus Buckley machten. Einige Journalisten gingen, aber er setzte seinen Monolog fort. Er pries sich selbst, sein Geschick vor Gericht, wies mehrmals darauf hin, daß seine Erfolgsquote neunzig, nein, fünfundneunzig Prozent betrug. Weitere Reporter entfernten sich. Kameras wurden aus geschaltet. Buckley rühmte Richter Noose für seine Weisheit und Fairneß. Er betonte Intelligenz und Vernunft der Geschworenen in Ford County.
Schließlich hatten auch die letzten Journalisten genug und ließen den Staatsanwalt allein auf der Treppe zurück.
13
S tump Sisson war der Imperial Wizard des Ku-Klux-Klan in Mississippi, und als Versammlungsort wählte er eine kleine Blockhütte tief im Wald von Nettles County, etwa dreihundertfünfzig Kilometer im Süden der Ford County. Die Klanmitglieder trugen keine Umhänge, und es fanden auch keine Rituale statt. Sie erörterten die Ereignisse in Ford County mit einem gewissen Freddie Cobb, Bruder des verstorbenen Billy Ray Cobb. Freddie hatte einen Freund angerufen, der Stump kannte und ihn bat, diese Versammlung einzuberufen.
War Anklage gegen den Nigger erhoben worden? Freddie wußte es nicht genau, hatte jedoch gehört, daß der Prozeß im späten Sommer oder frühen Herbst
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