Die Jury
anklagen. Ich halte es für richtig.«
»Weitere Fragen?« warf Buckley ein.
»Nicht so hastig.« Crowell wandte sich vom Fenster ab. »Ich glaube, Sie haben es zu eilig mit diesem Fall, Mr. Buckley. Das gefällt mir nicht. Ich ziehe es vor, ihn ausführlich zu diskutieren. Setzen Sie sich. Wenn wir Ihren Rat benötigen, bitten wir Sie darum.«
Der Staatsanwalt schnitt eine finstere Miene und hob den Zeigefinger.
»Ich brauche mich nicht zu setzen!« donnerte er. »Und ich brauche nicht zu schweigen!«
»Ich glaube, da irren Sie sich«, sagte Crowell kühl und lächelte dünn. »Wenn Sie nicht gehorchen, können wir Sie auffordern, das Zimmer zu verlassen, nicht wahr, Mr. Buckley? Wenn Sie sich weigern, gehen wir zum Richter, und er wird Sie zwingen, sich unseren Anordnungen zu fügen. Habe ich recht, Mr. Buckley?«
Rufus stand völlig reglos und stumm. In seiner Magengrube krampfte sich etwas zusammen, und die Knie wurden ihm weich doch etwas hielt ihn an Ort und Stelle fest.
»Wenn Sie sich auch weiterhin unsere Beratungen anhören wollen, sollten Sie Platz nehmen und den Mund halten.« Buckley setzte sich neben den Gerichtsdiener, der nun wach war.
»Danke«, sagte Crowell und musterte die übrigen Geschworenen. »Ich möchte Sie etwas fragen. Wie viele von Ihnen würden ebenso handeln wie Mr. Hailey, wenn jemand Ihre Tochter vergewaltigt, die Ehefrau oder vielleicht die Mutter? Wie viele? Bitte heben Sie die Hände.«
Sieben oder acht Hände zeigten nach oben, und Buckley ließ den Kopf hängen. Crowell lächelte. »Ich bewundere Mr. Hailey. Er hat eine Menge Mumm bewiesen. Wenn ich in eine ähnliche Situation gerate, möchte ich ebenso mutig sein – um zu tun, was getan werden muß. Manchmal bleibt einem Mann nichts anderes übrig. Mr. Hailey hat eine Auszeichnung verdient, keine Anklage.«
Crowell wanderte langsam am Tisch vorbei und genoß es, das Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit zu sein. »Bitte denken Sie an das arme Mädchen, bevor Sie abstimmen. Die Kleine ist erst zehn. Stellen Sie sich vor, wie sie am Boden liegt, die Hände auf dem Rücken gefesselt, wie sie weint und nach ihrem Vater ruft. Denken Sie an die beiden Verbrecher, die betrunken sind und Rauschgift genommen haben, die das Mädchen abwechselnd vergewaltigen, es schlagen und treten, sogar versuchen, es umzubringen. Stellen Sie sich Ihre eigene Tochter in einer solchen Lage vor. Sind Sie nicht ebenfalls der Meinung, daß die beiden Mistkerle bekamen, was sie verdienten? Wir sollten dankbar sein, daß sie tot sind. Ich fühle mich sicherer mit dem Wissen, daß jene Hurensöhne keine Möglichkeit mehr haben, Kinder zu vergewaltigen und zu töten. Mr. Hailey hat uns einen großen Dienst erwiesen. Verzichten wir darauf, Anklage gegen ihn zu erheben. Schicken wir ihn nach Hause zu seiner Familie, die auf ihn wartet. Er ist ein guter, anständiger Mann, der sich nichts vorwerfen muß.«
Crowell schwieg und ging wieder zum Fenster. Buckley beobachtete ihn unruhig und stand schließlich auf. »Sind Sie fertig, Sir?« Er bekam keine Antwort.
»Gut. Meine Damen und Herren Geschworenen, bitte erlauben Sie mir, Ihnen einige Dinge zu erklären. Es fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich des großen Geschworenengerichts, einen Fall zu verhandeln. Zu diesem Zweck finden Prozesse statt. Mr. Hailey wird ein faires Verfahren vor einer fairen, unvoreingenommenen Jury bekommen. Wenn er unschuldig ist, kann er mit einem Freispruch rechnen. Aber über Schuld oder Unschuld befindet nicht etwa das große Geschworenengericht. Ihre Aufgabe besteht darin, sich die Ausführungen der Staatsanwaltschaft anzuhören und dann zu entscheiden, ob es Hinweise dafür gibt, daß ein Verbrechen begangen wurde. Nun, ich behaupte, daß Carl Lee Hailey ein Verbrechen verübt hat. Sogar gleich drei: zwei Morde und eine schwere Körperverletzung. Augenzeugen bestätigen meine Angaben.« Buckley kam allmählich in Fahrt, als er um die Tische schritt.
Er fühlte nun wieder die alte Zuversicht. »Das große Geschworenengericht ist verpflichtet, ihn anzuklagen. Beim Prozeß hat er Gelegenheit, seinen Standpunkt zu erläutern und sich zu verteidigen. Wenn er einen triftigen Grund hatte, gegen das Gesetz zu verstoßen, so soll er ihn beim Verfahren vorbringen – dazu sind Gerichtsverhandlungen da. Die Staatsanwaltschaft legt ihm ein Verbrechen zur Last und muß beweisen, daß er schuldig ist. Wenn es Mr. Haileys Anwalt gelingt, die Jury von der Unschuld seines Klienten
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