Die Juweleninsel
können das Fahrzeug doch unmöglich bedienen, und selbst wenn wir dies könnten, würden uns die Spuren bei der ersten Begegnung oder im ersten Hafen verrathen. Wir schaffen den Schatz mit der Begum an das Land und bohren dann das Schiff an, daß es mit Mann und Maus auf offener See versinkt.«
»Aber auch dann wird uns der Schatz verrathen.«
»Thor! Sobald ein Schiff erscheint, geben wir uns für Schiffbrüchige aus und nehmen von dem Schatze nur so viel mit, als wir an unserm Leibe verbergen können. Das Uebrige holen wir später nach, indem wir uns eine Praue miethen.«
»Und die Begum?«
»Bleibt auf der Insel dann zurück.«
»Sie wird sich dagegen wehren und uns verrathen.«
»Wer todt ist, wehrt sich nicht mehr. Jetzt aber treffen wir bis zum Abende nicht mehr zusammen, damit nicht unsere Unterredungen Verdacht erregen.«
Am Nachmittage starb der Wind langsam ab, und selbst als er sich gegen Abend ein wenig erholte, war er so schwach, daß kaum ein Vorwärtskommen zu bemerken war. Dennoch bemerkte man noch vor Hereinbrechen der Dunkelheit ein kleines Eiland, welches sich in nicht zu großer Ferne aus den Fluthen des Meeres erhob.
»Werden Sie ein Boot aussetzen, um den Mann abholen zu lassen?« frug Maletti den Kapitän, an dessen Seite er die Insel durch das Glas betrachtete.
»Nein.«
»Warum, nicht?«
»In diesen Breiten bricht die Dunkelheit so schnell herein, daß das Boot vorher die Insel nicht erreichte und sich also leicht von uns verlieren könnte. Die Schiffslaterne leuchtet nicht bis dort hinüber. Und selbst wenn es das Eiland erreichte, muß es den Mann vielleicht erst suchen, und dann können wir nicht wissen, welche Abtrifft wir haben und welche unvorhergesehene Ereignisse eintreten können.«
»Was werden Sie also thun?«
»Ich lasse das Steuer so halten, daß wir bei dieser flauen Luft auf die Insel zu und in einiger Entfernung während der Nacht an ihr vorübertreiben, am Morgen ist der Mann dann leicht gefunden und schnell eingeholt. Bemerken Sie, wie schnell es bereits dunkelt? Das Abendbrod steht bereit. Lassen Sie uns zur Kajüte gehen.«
Nach dem Abendessen wurden die Glasen 42 abgerufen, und die erste Nachtwache trat an. Bei ihr befand sich der Laskare Lidrah, welcher sich mit seinem scharfen Dolche bewaffnet hatte.
Der Steuermann hatte den Befehl auf Deck; der Kapitän war schlafen gegangen und ebenso alle übrigen Mannen. Nur der Lieutenant lehnte neben der verschleierten Begum noch einige Zeit an der Reiling, bald aber begaben sich Beide auch zur Ruhe.
Lidrah wartete noch eine Weile und trat dann zum Steuermann.
»Sehr langsame Fahrt, Herr!«
»Sehr!« antwortete der Mann kurz.
»Werden wir heute Nacht bis an die Insel kommen?«
»Meine es!«
»Wo mag sie jetzt wohl liegen?«
»Dort!«
Es war das letzte Wort, welches er aussprach, denn indem er den Arm in der Richtung nach dem Eilande ausstreckte, fuhr ihm der Dolch mit solcher Sicherheit in das Herz, daß er nur noch einen leise pfeifenden Seufzer ausstieß. Der Laskare fing den Körper auf und ließ ihn geräuschlos niedergleiten. Dann suchte er sich unbefangen sein zweites Opfer aus. Es war dies ein Matrose, welcher behaglich am Besaanmast lehnte.
Nur fünf Minuten später ließ er sich durch die vordere Luke zu den Schlafkojen hinab, wo eine Oellampe – ihren trüben, täuschenden Schein verbreitete. Nur Kaldi hatte sich wach erhalten; die Andern schliefen alle den festen Schlaf, der solchen kräftigen Naturen eigen zu sein pflegt. Ein Wink genügte, und der Bruder erhob sich vorsichtig aus seiner Hängematte, um ihm in seinem blutigen Werke beizustehen.
Fast zu derselben Zeit war es dem Kapitäne trotz des Schlummers, in welchem er lag, als habe er ein ordnungswidriges Geräusch vernommen. Er wachte sofort vollends auf und lauschte. Es nahten Schritte seiner von innen verriegelten Thür, und dann klopfte es respektvoll an dieselbe an.
»Wer draußen?«
»Matrose Lidrah!«
»Was gibt es?«
»Der Steuermann schickt mich. Es ist so etwas wie ein Feuerschein am Horizonte zu sehen, Sahib.«
»Pah! Der ausgesetzte Mann hat unser Schiff gegen Abend bemerkt und ein Feuer angebrannt, um uns auf die Insel aufmerksam zu machen.«
»Das ist es nicht, Sahib, denn der Schein ist Nord bei West zu sehen.«
»Dann brennt ein Fahrzeug. Ich komme gleich; laßt aber noch nicht wecken!«
Die Schritte draußen entfernten sich, und der unglückliche Kapitän konnte nicht hören, daß sie leise wieder zurückkehrten.
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