Die Juweleninsel
gebliebenen Pfeifenrohre zu den Sternen empor und that den grimmigen Schwur, in meinem ganzen Leben niemals wieder eine solche Bestie zu besteigen, denn in wie fern denn und in wie so denn, ich hatte mit diesem einen Male mehr als genug.«
»Und Sie haben Ihren Schwur stets gehalten?«
»Stets.«
»Wenn Sie nun gesund gewesen und zum Militär gekommen wären?«
»Ich war ja gesund und kam dazu. Das Bein und die Nase verlor ich erst später.«
»Ach so! Wenn man Sie unter die Kavallerie gesteckt hätte, wären Sie jedenfalls gezwungen gewesen, Ihren Schwur zu brechen.«
»Fällt mir nicht ein!«
»Und doch!«
»Ich kam ja zur Kavallerie und zwar zu den Husaren.«
»Und Sie ritten nicht?«
»Nein. Ich erzählte dem Rittmeister meine Geschichte; aber mein Gelübde sollte nichts gelten. Das war eine schlimme Zeit, die ich niemals vergessen werde. Ich war nicht auf das Pferd zu bringen, und schafften sie mich je einmal gewaltsam links hinauf, so rutschte ich sicher sofort auf der rechten Seite wieder hinunter. Dem Pferde ging es dabei ganz gut, mir aber desto schlimmer, denn in wie fern denn und in wie so denn, mein Rücken sah stets himmelblau und im Arrestlokale hatte ich mein immerwährendes Standquartier nebst Wasser mit trockenem Kommisbrode.«
»Das konnte doch nicht immer so fortgehen!«
»Es ging auch nicht so fort. Als man sah, daß mit meinem Gelübde nicht zu spassen sei, wurde ich endlich doch noch zur Infanterie versetzt.«
»Und wie ging es dort?«
»Im Frieden sehr gut, denn ich begriff nicht schwer und that meine Schuldigkeit.«
»Aber im Kriege?«
»That ich meine Schuldigkeit auch. In der Bibel steht: Du sollst nicht tödten, und wer Menschenblut vergießt, deß Blut soll wieder durch Menschen vergossen werden. Der Bibel habe ich gehorcht und habe also meine Schuldigkeit gethan. Warum soll ich einen Menschen erschießen, den ich gar nicht kenne, oder einem Andern das Bajonnet durch den Leib rennen, obgleich er mir noch nie etwas zu Leide gethan hat? Als daher die Kanonen zu brummen anfingen und ich auch mit schießen, hauen und stechen sollte, da that ich, als sei ich von einer Kugel getroffen worden, und ließ mich in einen trockenen Graben fallen. Ich dachte, hier wäre ich sicher; aber prosit die Mahlzeit! Die Kavallerie kam herangesaust; es waren Kürassiere, und das Pferd eines Wachtmeisters trat mir auf das Knie, habs der Teufel, nämlich das Pferd und nicht das Knie, obgleich er es auch geholt hat. Die Unsrigen wurden zurückgeworfen, und als ich mich auch davonmachen wollte, fielen ein paar feindliche Hallunken über mich her, um mich gefangen zu nehmen. Ich sollte mit und wollte nicht und wehrte mich also meiner Haut. Der Eine holte mit dem Säbel aus, und weil ich mich in diesem Augenblicke umdrehte, fuhr mir der Hieb nicht in die Schulter, sondern er blitzte mir an dem Gesichte vorbei und nahm mir die Nase weg. Ich habe sie gar nicht wiedergefunden; obgleich ich die beiden Strolche los wurde. Nachher aber kam mir der Brand in das Knie, und das Bein wurde mir abgeschnitten. Wäre ich ein Krebs, so wäre es mir sammt der Nase wieder gewachsen. Manch Viehzeug hat es besser als der Mensch!«
Kurt bezahlte.
»Wollen wir fort?«
»Ja.«
Sie verließen die Schenke und schritten neben einander her. Brendel frug:
»Sie steigen nicht auf?«
»Nein, da Sie nicht reiten. Wir können uns so besser unterhalten, und ich bin ja nicht müde. Wissen Sie nicht, ob der Herr Pastor Walther Ihrem Herrn zuweilen schreibt?«
»Wir erhalten von ihm in jeder Woche einen Brief.«
»Er war früher Erzieher in Helbigsdorf, wo er jetzt Pastor ist.«
»Das weiß ich. Und die Anna, die könnte jetzt Frau Pastorin sein.«
»Ich habe davon gehört.«
»Hat er selbst zu Ihnen davon gesprochen?«
»Nein. Zu einem Knaben spricht man nicht von solchen Dingen, und seit ich kein Knabe mehr bin, war ich erst einmal daheim in Helbigsdorf. Er soll stets sehr trüb und traurig sein und sich vollständig einsam halten, während er früher das gerade Gegentheil war. Was ist da schuld? Ist die Anna ihm untreu geworden?«
»Wer weiß das?«
»Ich dachte, das müßten Sie doch wissen!«
»Woher denn! Man hat darüber gar nichts erfahren können, denn in wie fern denn und in wie so denn, sie hat auch nicht das kleinste Wörtchen darüber gesprochen.«
»Gegen Sie wohl nicht, jedenfalls aber doch gegen ihre Eltern?«
»Auch nicht.«
»Aber sie muß doch reden?«
»Hm! Kann ich zum Beispiel mit Ihnen reden,
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