Die Juweleninsel
unwillkürlich aufblicken ließ.
»Was meint Ihr damit?« frug er.
»Sie hat stets großen Werth darauf gelegt, daß ihr Blut nicht mit niedrigem vermischt werde.«
»Richtig! Ich war noch ein Knabe, als mein Bruder bereits seine Karrière begonnen hatte. Es war ihm die diplomatische Laufbahn vorgeschrieben worden. Er besaß Talent, erwarb sich das Vertrauen seiner Oberen, und es stand zu erwarten, daß er von Stufe zu Stufe mit größerer Schnelligkeit steigen werde, als es sonst zu geschehen pflegt. Später noch hörte ich, daß er ein sehr schöner Mann gewesen sei.«
»Das war er!«
»Ihr habt ihn damals gekannt?«
»Ich hörte es.«
»Da er alle Eigenschaften besaß, welche dazu nöthig waren, hatte der Vater keine große Mühe aufzuwenden, eine glänzende Partie für ihn zu Stande zu bringen. Er wurde mit der Tochter eines seiner Vorgesetzten verlobt.«
»Und auch vermählt?«
»Nein.«
»Ah!«
»Es kam ein Cirkus nach der Hauptstadt, dessen Mitglieder Dinge leisteten, welche man bisher für unmöglich gehalten hatte. Besonders war es eine Reiterin, welche sich durch ihre Produktionen so hervorthat, daß ihr Auftreten stets den Glanzpunkt der Vorstellung bildete.«
»Wie hieß sie?«
»Man nannte sie Miß Ella; ihren eigentlichen Namen habe ich nie erfahren.«
»Auch woher sie stammte wißt Ihr nicht?«
»Nein; doch vermuthete man, daß sie ein ächtes Künstlerkind sei. Sie war im Ballete und auf dem Seile ebenso erfahren und fertig wie auf dem Pferde, und sprach eine Menge Sprachen in der Weise, daß man annehmen mußte, sie sei seit ihrer frühesten Jugend auf Kunstreisen stets unterwegs gewesen.«
»So war sie wohl nicht mehr jung?«
»O nein. Zwar ist die Schätzung des Alters bei einer Künstlerin, die doch in die Geheimnisse der Toilette eingeweiht sein muß, stets eine unsichere Sache, aber man nahm an, daß sie nicht über dreiundzwanzig Jahre zählen könne.«
»Sie war dreißig.«
»Ah, Ihr wißt das! Woher?«
»Man sprach davon.«
»Sie hatte Temperament, ja, eine körperliche und geistige Beweglichkeit, welche zwar beinahe wild genannt werden mußte und in allen Effekten glänzte, aber das Publikum hinriß und wohl auch mit Grund war, daß sie jünger erschien als sie eigentlich war. Dazu besaß sie eine Schönheit, welche zur Bewunderung aufforderte, und es läßt sich leicht denken, daß ein solches Wesen der Männerwelt nicht nur interessant erscheinen, sondern ihr auch gefährlich werden mußte.«
»Wohl auch Eurem Bruder, wie sich nun leicht ahnen läßt?«
»Auch ihm, und zwar vorzugsweise ihm.«
»War er denn darnach angelegt, sich für eine Kunstreiterin zu interessiren?«
»Wohl eigentlich nicht. Er war kühl und berechnend, sprach wenig aber gut, und hatte niemals die leiseste Schwärmerei an sich beobachten lassen. Aber er war ein passionirter, enragirter Reiter und ein Pferdeliebhaber
comme il faut
.«
»Da läßt sich sehr leicht denken, daß er den Cirkus fleißig besuchte.«
»Zuerst nur spärlich, dann mehr und mehr und endlich täglich. Ein solcher Besucher wird natürlich dem Künstlerpersonale bekannt, er kam mit verschiedenen hervorragenden Mitgliedern des Cirkus in Berührung, und da Miß Ella zu diesen gehörte, sah und sprach er sie öfter, als es den Eltern lieb war und sich für seine Stellung und seine Verhältnisse eigentlich schickte. Man sprach sogar sehr bald von einer so intimen Beziehung zwischen ihm und ihr, daß Vater sich veranlaßt sah ihn zur Rede zu stellen.«
»Mit welchem Erfolge?«
»Mit einem sehr negativen. Theodor lachte und gab keine Antwort. Aber seine Beziehungen zu ihr verinnigten sich bald in der Weise, daß er sich sogar öffentlich mit ihr sehen ließ. Er ritt und fuhr mit ihr spazieren und gestattete ihr im Theater sogar einmal Zutritt in unsere Familienloge.«
»Welch ein Horreur für eine so hohe, so alte und exklusive Familie!«
Diese Worte des Paters waren in einem Tone gesprochen, welcher für ein aufmerksames Ohr etwas Schadenfrohes, vielleicht sogar Triumphirendes an sich hatte. Aber dies entging dem erzählenden Jäger. Er fuhr fort: »Damit war die Angelegenheit allerdings in ein Stadium getreten, welches zum energischen Einschreiten veranlaßte. Der Bruder mußte vor dem versammelten Familienrathe erscheinen und erklärte hier endlich unverholen, daß er die Kunstreiterin heirathen werde.«
»Worauf der ganze versammelte Familienrath theils in Revolution gerieth und theils sogar in Ohnmacht fiel?«
Diese
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