Die Juweleninsel
sein.«
»So habt Ihr das Schreiben bei Euch?«
»Ja.«
»Kann man es einmal zu sehen bekommen?«
»Warum?«
»Ich habe Euch ja gesagt, daß ich mich für Euren Bruder interessire, und werde Euch nachher auch noch weitere Mittheilungen machen. Zeigt mir den Brief!«
Fred öffnete sein Jagdhernd und zog ein Couvert von gegerbtem Hirschleder hervor, welches er auf der Brust getragen hatte. Es enthielt ein Papier, welches er auseinander schlug.
»Hier ist es.«
Der Bowie-Pater nahm das Schreiben in die Hand, hielt es möglichst nahe an die Flamme des Feuers und betrachtete die Schriftzüge lange, sehr lange Zeit mit der allergrößten Aufmerksamkeit. Es war wohl nur die Anstrengung des Lesens bei einer so flackernden Flamme schuld, daß ihm ein glänzender Tropfen im Auge stand, als er den Brief seinem Besitzer zurückgab.
»Nun?« frug dieser.
»Dieser Brief ist gefälscht!«
»Oho!«
»Ganz sicher!«
»Wie wolltet Ihr das beweisen? Oder hättet Ihr zufälliger Weise Theodors Hand einmal gesehen?«
»Das ist gar nicht nöthig. Schreibt ein Sohn und Bruder einen so kurzen kalten Abschied für die ganze Lebenszeit an die Seinigen?«
»Er war erzürnt und verbittert.«
»Er hätte eher gar nicht, als in dieser Weise geschrieben! Und seht Euch diese Handschrift an! Sie ist nicht fließend; sie ist gemalt, mit aller Mühe und Akkuratesse auf das Papier gebracht. Man sieht es jedem einzelnen Buchstaben an, daß er sorgfältig eingeübt und dann mit einer besonderen Ueberlegung hergeschrieben wurde.«
Fred prüfte jetzt die Schrift nach dieser Richtung hin, und seine Miene nahm einen Ausdruck an, dem man es ansah, daß die Worte des Paters ihre Wirkung thaten.
»Nun, was meint Ihr?« frug der Pater.
»Hm! Ihr habt sehr scharfe Augen, und Eure Ansicht scheint nicht ganz des Grundes zu entbehren. Allerdings fürchterlich wäre es, wenn dieses Schreiben gefälscht wäre!«
»Es ist gefälscht; darauf könnt Ihr Euch verlassen. Ich will doch einmal sehen, ob Eure Augen ebenso scharf sind wie die meinigen.«
Er langte in seinen Kugelbeutel und zog ein zusammengerolltes, sehr gut eingehülltes Papier hervor, welches er öffnete und Fred entgegenhielt.
»Da, nehmt einmal, um das hier zu lesen und zu prüfen!«
Fred näherte das Papier dem Feuer und las:
»Allerdurchlauchtigster Prinz!
Ich melde Ihnen meine Ankunft hier, und daß ich bereits den besprochenen Brief an die Familie Walmy abgesandt habe. Er ist genau mit der Handschrift Theodors geschrieben, die ich ja prächtig nachahmen kann. Nun bitte ich aber auch, mir die zweite Hälfte der stipulirten Summe nachzusenden. Meine Adresse ist: Kingston, Missouri, Wallstreet 23.
Georg.«
Fred ließ das Blatt mit der Hand, die es gehalten hatte, niedersinken.
»Georg? – –« frug er. »Wer ist dieser Georg?«
»Lest zunächst auch diesen zweiten Brief,« antwortete der Pater.
Er hielt ihm ein anderes Blatt entgegen, welches mit dem ersten in der gleichen Emballage gesteckt hatte. Fred ergriff es. Sein Inhalt lautete:
»Gnädigster Prinz.
Haben Sie Dank für die mir überwiesene Summe! Meine Aufgabe ist erfüllt, und ich werde wohl niemals wieder nach Süderland zurückkehren. Es gefällt mir hier so gut, daß ich dies gar nicht bedauere. Daher breche ich mit der Heimath vollständig und werde von hier nach Kuba oder Mexiko gehen. Sie dürfen also keine Sorge tragen, daß Ihr Geheinmiß jemals verrathen werde. Theodor von Walmy ist gut aufgehoben, und daß auch Miß Ella niemals sprechen kann, dafür werden Sie wohl Sorge tragen. Das letzte Lebewohl vonGeorg Sander.«
Fred machte eine höchst erstaunte und überraschte Miene.
»Georg Sander,« rief er; »das war der Reitknecht meines Bruders!«
»Richtig!« nickte der Bowie-Pater.
»Er verschwand zu derselben Zeit, in welcher wir den Bruder vermißten!«
»Stimmt, stimmt sehr!«
»Wir haben niemals wieder von ihm gehört!«
»Leicht erklärlich, da er ja mit der Heimath vollständig abgeschlossen hatte!«
»Und Ihr meint, daß er den Brief geschrieben habe, welchen wir von Theodor zu erhalten vermeinten?«
»So ist es! Vergleicht einmal diese Schriften! Trotzdem in der ersten die Hand Eures Bruders nachgeahmt ist, läßt sich ihre Aehnlichkeit mit den andern Briefen gar nicht verkennen.«
Fred verglich und meinte endlich:
»Ihr habt recht! Aber wie kommt Ihr zu diesen Zeilen?«
»Das sollt Ihr hören! Wer ich bin, oder vielmehr, wer ich war, das kann Euch sehr gleichgiltig
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