Die Juweleninsel
Frage war ganz in dem vorhergehenden Tone gesprochen. Fred achtete es nicht.
»Die Mutter bat ihn mit Thränen, von diesem unglückseligen Vorhaben abzustehen; der Vater drohte ihm mit Verstossung und Enterbung – vergeblich.«
»Diese Miß Ella muß doch ein höchst bezauberndes Weib gewesen sein, da es ihr gelingen konnte, einen so kalten berechnenden Diplomaten in Flammen zu versetzen,« meinte der Pater. »Was sagtet denn Ihr als Bruder dazu?«
»Ich war zu jung, als daß ich ein Verständniß für das Alles gehabt hätte. Ueberdies liebte ich meinen Bruder so herzlich, daß ich sehr geneigt war, ihn mehr zu bedauern als ihm zu zürnen.«
»Und was würdet Ihr heute sagen, wenn Ihr in diesem Familienrathe stündet?«
»Ich würde schweigen. Theodor war alt genug um zu wissen, was er that, und heut weiß ich sehr genau, welche Macht eine wahre Liebe auf die Entschließungen eines Menschen auszuüben vermag.«
»Ah! Auch Ihr habt dies erfahren? Interessant!«
»Ich spreche jetzt nicht von mir, sondern von dem Bruder. Es spaltete sich eine tiefe Kluft zwischen ihn und seine Familie. Seine Braut trat in einer Weise zurück, welche uns in Affront bringen mußte, und seine Vorgesetzten nahmen eine so reservirte Haltung an, daß man erkennen mußte, es sei um seine Karrière, ja vielleicht sogar um seine Stellung überhaupt geschehen.«
»Das mußte ihm natürlich die Augen öffnen!«
»Im Gegentheile! Es erbitterte ihn. Er gab seine Stellung freiwillig auf. Er konnte dies, weil er durch den auf ihn entfallenen Theil der Erbschaft von einer jüngst verstorbenen Tante die Mittel in den Händen hatte, wenn auch nicht eben luxuriös, aber doch auskömmlich leben zu können. Bereits sprach man von der bevorstehenden Vermählung zwischen ihm und dem Mädchen, als ein Ereigniß eintrat, welches man unmöglich hatte vorhersehen können.«
»Ah!«
»Er hatte einen Nebenbuhler – –«
»Nur einen?«
»Wohl mehrere; aber unter ihnen befand sich einer, welcher beinahe ebenso begünstigt wurde wie Theodor selbst.«
»Alle Teufel; jetzt wird die Sache interessant!«
»Diese Begünstigung war jedenfalls weniger eine Folge seiner persönlichen Vorzüge, als vielmehr seiner hohen Stellung.«
»Er stand noch höher als die alte angesehene Familie der Walmy?«
»Bedeutend höher: es war ein königlicher Prinz, der Sohn des Königs selbst.«
»Der Kronprinz etwa?«
»Nein, sondern sein Bruder Hugo.«
»Was? Der tolle Prinz! Das ist allerdings ein Nebenbuhler, den man nicht übersehen kann. Und er wurde bevorzugt?«
»Ja, und zwar in einer solchen Weise, daß es zu einem öffentlichen Auftritte kam, der zwischen gleichgestellten Kavalieren nur durch die Waffen gesühnt werden konnte. Hier aber handelte es sich um einen einfachen Edelmann gegenüber einem königlichen Prinzen. Theodor befand sich sichtlich in großer Gefahr. Die Einen meinten, der Prinz werde sich zu einer Forderung verstehen, und dann war es sehr fraglich, ob mein Bruder dem tollen, in allen Waffen geübten Königssohne gewachsen sei. Die Anderen behaupteten, die Bestrafung einer solchen, einem Gliede des Herrscherhauses angethanen Beleidigung werde sicher der König selbst in die Hand nehmen, und von einem Duelle könne also gar keine Rede sein.«
»Wer hatte Recht?«
»Ich kann dies nicht entscheiden. Theodor verreiste und kehrte nicht zurück. Am Abende seiner Abreise sollte Miß Ella auftreten – auch sie war verschwunden.«
»Und der tolle Prinz?«
»Hatte sich offiziell auf eines seiner Schlösser zurückgezogen.«
»Wußte man auf welches?«
»Man nannte Burg Himmelstein, welche noch heute sein Lieblingsaufenthalt ist, wenn er sich bei Hofe befindet. Nach längerer Zeit erhielten wir einen Brief des Bruders aus den Vereinigten Staaten. Er schrieb uns, daß er seine Existenz in Süderland unhaltbar gefunden habe und nach Amerika gegangen sei, er werde niemals zurückkehren, sondern seinen Namen ändern und kein Lebenszeichen von sich geben.«
»Hat er dies gehalten?«
»Ja.«
»War der Brief von seiner Hand geschrieben?«
»Ja.«
»Wißt Ihr dies gewiß?«
»Warum sollte er ihn von einem Andern schreiben lassen?«
»Hm! Er könnte ja eine kranke Hand gehabt haben!«
»Es ist seine Hand. Als ich die Heimath verließ, habe ich das Schreiben mitgenommen. Das Schicksal hat oft sonderbare Grillen, und es war doch vielleicht möglich, eine Spur von dem Verschollenen zu entdecken. Dann konnte mir der Brief einmal von Nutzen
Weitere Kostenlose Bücher