Die Juweleninsel
Staatsanwalt.
»Herr Baron,« rief er, »das sind ja ganz fürchterliche, ganz entsetzliche Anklagen. Sie sehen mich denselben vollständig rathlos gegenüber!«
»Rathlos? Einen Staatsanwalt? Erinnern Sie sich der einleitenden Frage, welche ich aussprach? Ich verlange gleiches Verfahren, gleiches Recht und gleiche Strafe, ganz egal, ob Hoch oder Niedrig.«
»Zunächst müßte die Wahrheit Ihrer Aussage erwiesen werden.«
»Wir werden diese Wahrheit beweisen.«
»Das mag sein, aber selbst in diesem Falle sind Rücksichten zu nehmen, Rücksichten, die sich auf die hohe Stellung, auf die allerhöchste Verwandtschaft des Angeklagten beziehen.«
»Ah! Ich danke Ihnen für die freundliche Aufklärung, welche Sie mir da über die Rechtsverhältnisse dieses Landes geben! Den armen Teufel, welcher im höchsten Stadium der Noth, im tiefsten Elende, getrieben von der Pein und den Schmerzen des Hungers nach dem Brode greift, welches er nicht bezahlen konnte, den wirft man in das Verließ, ohne Gnade und Barmherzigkeit, ohne Rücksicht auf die ›niedrige Stellung‹ und die ›allerniedrigste Verwandtschaft‹, die der so leicht begreifliche und zu bedauernde Grund seines Vergehens ist; dem hohen Herrn aber, der nur im Uebermuthe, in Verachtung und Verlachung jeder bestehenden Ordnung Menschen raubt und Menschen mordet, dem will man seine teuflischen Vergnügungen unbestraft hingehen lassen seiner ›hohen Stellung‹ und ›allerhöchsten Verwandtschaft‹ wegen! Herr, ich sage Ihnen zum zweiten Male, daß Sie es nicht mit Schulbuben zu thun haben! Wollen Sie auf hohe Stellung Rücksicht nehmen, so steht hier der General von Helbig, Excellenz, der seine Tochter von Ihnen fordert, so – –«
»Halt,« fiel ihm der Anwalt ein; »Sie irren, wenn Sie meinen, daß ich so ohne Weiteres eine That zu verfolgen hätte, welche jenseits der Grenze, also in einem anderen Lande begangen wurde. Ich kenne meine Pflicht und ich werde sie erfüllen, aber eben diese Pflicht verbietet mir, in einem so schwierigen Falle, der mit so ungeheurer Verantwortlichkeit verbunden ist, besinnungslos und eigenmächtig zu handeln. Ich werde sofort dem Generalstaatsanwalt telegraphiren; dieser mag kommen und bestimmen, was zu geschehen hat.«
»Und unser Gefangener?«
»Er soll verhört werden. Sowohl er als auch der Lieutenant Kurt Schubert werden nach dem Amtsgefängnisse gebracht, um gleich morgen – –«
»Nach dem Gefängnisse? Beide?« unterbrach ihn Walmy.
»Ja.«
»Als Gefangene?«
»Natürlich!«
»Schön, Herr Staatsanwalt! Leider aber bin ich einer andern Ansicht. Ich sage Ihnen, daß ich Sie mit dieser meiner Faust zu Boden schlage, wenn Sie es wagen sollten, meinen Freund anzurühren. Verstanden?«
»Herr, Sie wollen mir drohen!«
»Allerdings! Ich war Prairiejäger; meine Faust hat Uebung, Herr!«
»Wissen Sie, daß ich Sie arretiren lassen werde?«
»Oder ich Sie!«
Da trat der Schmied Schubert zu Walmy:
»Herr von Walmy, soll ich diesem Manne da einen Klapps gepen, daß er denkt, Purg Himmelstein ist ihm auf die Nase gefallen? Wer meinen Lieutenant einstecken will, den haue ich zu Schnupftapak!«
Da nahm der General das Wort:
»Herr Anwalt, vermeiden Sie alle Schärfe; es ist für beide Theile vortheilhafter. Sie hören aus dem Erzählten, daß der Lieutenant unschuldig ist, es wird Ihnen dies sogar sofort bewiesen werden. Wollen Sie sich trotzdem seiner Person versichern, so leiste ich mit meinem Ehrenworte alle Bürgschaft, daß er Ihnen zu jeder Zeit zur Verfügung stehen wird. Ich hoffe, dies ist Ihnen genug.«
Der Beamte verbeugte sich höflich.
»Ihr Ehrenwort genügt, Excellenz.«
»Und dieser Franz Geißler?«
»Ich lasse ihn in die Zelle schaffen.«
Der General lächelte.
»Wollen Sie nicht auch ihn mir anvertrauen, Herr Staatsanwalt?«
Der Gefragte blickte überrascht empor.
»Ihnen? Warum? Wieso?«
»Sie vertreten Ihr Interesse und ich das meinige, oder vielmehr das unserige. Sie erblicken hier eine ganze Anzahl von Personen, welche so oder anders irgend eine Abrechnung mit dem Prinzen zu halten haben. Es liegt in unserem Interesse, daß derselbe von dem Vorgefallenen nicht das mindeste erfährt, und daher möchte ich Ihnen den Gefangenen auf einen Tag vorenthalten.«
»Excellenz, er gehört in das Untersuchungsgefängniß!«
»Der Prinz ebenso!«
»Noch habe ich keine hinlänglichen Unterlagen, um einen Schritt gegen ihn thun zu können. Uebrigens habe ich ja bereits des Herrn
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