Die Kälte Des Feuers
Holly.
Jim war von ihr zurückgewichen. Er lehnte nun an der Wand zwischen zwei Fenstern; Lichtkaskaden strömten um ihn herum. »Holly, ich verstehe nicht…«, begann er.
»Es ist einfach zuviel.«
»Was denn?«
»Na schön, das Wesen hat uns erklärt, es möchte nur besondere Personen retten.«
»Um der Menschheit zu helfen.«
»Ja, natürlich«, sagte Holly und sah zur Wand.
Und an Jim gerichtet: »Aber diese Menschen sind zu speziell, findest du nicht? Vielleicht bin ich zu kritisch, aber … es wirkt übertrieben; die ganze Sache wird wieder banal. Niemand wird gerettet, um ein guter Arzt oder Geschäftsmann zu werden, der neue Industrien und zehntausend Arbeitsplätze schafft. Ehrliche und mutige Polizisten finden ebensowenig Erwähnung wie engagierte Krankenschwestern. Nein, die Geretteten - oder ihre Kinder - haben immer einen globalen Einfluß. Sie drücken der ganzen Welt ihren Stempel auf!«
»Ist das wieder aggressiver Journalismus?«
»Da hast du verdammt recht.«
Jim stieß sich von der Wand ab, strich das Haar mit beiden Händen aus der Stirn und musterte Holly. »Ich verstehe, was du meinst. Mir ist jetzt klar, warum du dabei an eine Folge von Outer Limits denkst. Aber laß uns doch einmal genau überlegen: Wir haben es mit einer einzigartigen und sehr außergewöhnlichen Situation zu tun. Eine extraterrestrische Wesenheit mit einer Macht, die uns fast göttlich erscheint, benutzt mich, um die Chancen der Menschheit zu verbessern. Findest du es nicht logisch, daß sie mich ausschickt, um wirklich besondere Personen zu retten anstatt irgendwelche Geschäftsleute oder Industrielle?«
»Oh, es ist logisch, ja«, bestätigte Holly. »Aber es klingt nicht wahr; für Lügen und Täuschungen habe ich einen ziemlich guten Riecher.«
»Hattest du aus diesem Grund so großen Erfolg als Reporterin?«
Unter anderen Umständen hätte Holly vielleicht über einen Außerirdischen gelacht, der den Menschen weit überlegen war und sich zu trivialem Gezänk herabließ. Aber einmal mehr nahm sie trotzigen Ärger in der Stimme des Wesens wahr, und sie hielt die Vorstellung eines überempfindlichen, rachsüchtigen Wesens mit gottartiger Macht für so beunruhigend, daß ihr Sinn für Humor zunehmender Nervosität wich.
»Wie paßt das zu einer höheren Macht?« fragte sie Jim. »Gleich verflucht mich das Wesen.«
Der Freund schwieg.
Holly konzentrierte sich wieder auf ihr Notizbuch. »Zwanzigster Juli. Steven Aimes. Birmingham, Alabama.«
Myriaden glühende Funken schwammen durch die Wände, und ihre Muster wirkten jetzt nicht mehr so anmutig und sinnlich. Wenn sie vorher das visuelle Äquivalent der ruhigsten Symphonie von Brahms gewesen waren, so versinnbildlichten sie jetzt das disharmonische Jaulen von schlechtem progressivem Jazz.
»Was ist mit Steven Aimes?« fragte Holly. Furcht vibrierte in ihr - und gleichzeitig erinnerte sie sich daran, daß sie sich schon einmal mit Willenskraft durchgesetzt hatte.
»Ich ziehe mich jetzt zurück.«
»Offenbar sind deine Gezeiten recht kurz«, bemerkte Holly.
Das bernsteinfarbene Licht verblaßte.
»Die Gezeiten im Raumschiff sind unregelmäßig und nicht immergleich lang. Aber ich kehre zurück.«
»Was ist mit Steven Aimes? Er war siebenundfünfzig, nicht mehr der Jüngste - aber vielleicht noch immer in der Lage, irgendeinen berühmten Soundso zu zeugen. Warum hast du Steve gerettet?«
Die Stimme wurde tiefer, verwandelte sich aus einem Bariton in einen Baß. Und sie klang schärfer als vorher. » Es wäre nicht klug von euch, die Mühle zu verlassen.«
Darauf hatte Holly gewartet. Als sie diese Worte vernahm, kannte sie den Grund für ihre innere Anspannung.
Doch Jim schien verblüfft zu sein. Er drehte sich um, ließ den Blick über die Wände schweifen, beobachtete das nun dunkle Wogen und Wallen im Kalkstein. Vielleicht versuchte er, einen Eindruck von der biologischen Geographie des Wesens zu gewinnen, um ihm in die Augen sehen zu können. »Was soll das heißen? Wir verlassen die Windmühle, wann es uns gefällt.«
»Ihr müßt auf meine Rückkehr warten. Der Tod droht euch, wenn ihr geht.«
»Willst du der Menschheit nicht mehr helfen?« fragte Holly.
»Schlaft nicht.«
Jim trat an Hollys Seite. Durch ihre aggressive Haltung gegenüber dem Freund hatte sie eine Entfremdung zwischen sich und Jim geschaffen, aber diese Distanz schrumpfte nun wieder. Ironheart legte ihr wie schützend den Arm um die Schultern.
»Ihr dürft nicht
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