Die Kälte Des Feuers
zeigten sich unter ihren Augen. Sie senkte die Lider für einige Sekunden, rieb sich mit Daumen und Zeigefinger den Nasenrücken und schnitt eine Grimasse, als litte sie an Kopfschmerzen.
Jim bedauerte zutiefst, daß er sie in diese Angelegenheit verwickelt hatte. Doch seiner Reue erging es ebenso wie Furcht und Verzweiflung - etwas anderes gesellte sich hinzu, nahm ihr die Schärfe. In diesem Fall handelte es sich um eine tiefe Zufriedenheit, die er mit Hollys Präsenz verband. Eine egoistische Einstellung, ja, aber es freute ihn trotzdem, dass sie bei ihm war, ganz gleich, was ihnen diese Nacht noch bescherte. Ich bin nicht mehr allein, dachte Jim.
Falten gruben sich tief in Hollys Stirn. »Das Wesen ist nicht auf die Bereiche in unmittelbarer Nähe des Teichs beschränkt, auch nicht auf mentale Kontakte über große Entfernungen hinweg«, sagte sie. »Die Kratzspuren in meiner Seite und die Manifestation an der Decke deines Schlafzimmers heute morgen deuten darauf hin, daß es überall erscheinen kann.«
»He, einen Augenblick«, warf Jim ein. »Wir wissen, daß der Feind imstande ist, über beträchtliche Distanzen hinweg zu materialisieren, aber es steht keineswegs fest, daß der Freund diese Fähigkeit teilt. Der Feind kam aus deinem Traum. Der Feind versuchte, die Schlafzimmerdecke zu durchdringen.«
Holly hob den Kopf und ließ die Hand sinken. Ihr Gesicht ähnelte einer Maske. »Ich glaube, sie sind miteinander identisch.»
»Wer?«
»Freund und Feind. Ich bezweifle, ob zwei Wesen in dem Raumschiff auf dem Grund des Teichs leben - wenn es dort tatsächlich ein Raumschiff gibt, was ich zumindest für möglich halte. Vermutlich haben wir es nur mit einem Wesen zu tun. Freund oder Feind sind zwei verschiedene Aspekte seiner Natur.«
Diese Bemerkungen legten Schlußfolgerungen nahe, die Jim so sehr erschreckten, daß er sie nicht akzeptieren konnte. »Das kann wohl kaum dein Ernst sein«, entgegnete er. »Warum behauptest du nicht gleich, die Wesenheit sei… verrückt?«
»Genau das meine ich. Sie leidet an ihrem Äquivalent einer gespaltenen Persönlichkeit, verhält sich einmal als Freund, dann als Feind ohne sich des Wechsels bewußt zu werden.«
Allem Anschein nach fand Jims fast verzweifeltes Bedürfnis, sich den Freund als unabhängiges, durch und durch gutes Wesen vorzustellen, einen mimischen Ausdruck, denn Holly griff nach seiner rechten Hand, drückte sie kurz und fuhr rasch fort: »Der kindliche Trotz, die prahlerische Behauptung, Einfluß auf das Schicksal der ganzen Menschheit zu nehmen, das effektvolle Erscheinen, die Schwankungen zwischen zuckersüßem Wohlwollen und verdrießlichem Ärger, der Umstand, daß die Wesenheit ganz offensichtlich lügt und sich gleichzeitig für clever hält, außerdem bei manchen Gelegenheiten eine Geheimnistuerei ohne ersichtlichen Grund dafür - all das ergibt nur dann einen Sinn, wenn wir hier mit einem gestörten Bewußtsein konfrontiert sind.«
Jim hielt nach Fehlern in Hollys Argumentation Ausschau und fand keine. »Ich kann mir kaum vorstellen, daß ein Außerirdischer sein unvorstellbar komplexes Raumschiff viele Lichtjahre weit durch zahllose Gefahren fliegt, während er komplett übergeschnappt ist.«
»Vielleicht war das gar nicht der Fall. Vielleicht begann der Irrsinn erst hier. Vielleicht brauchte das Wesen sein Raumschiff gar nicht selbst zu steuern; vielleicht ist es vollkommen automatisiert. Vielleicht befanden sich Artgenossen an Bord, die es steuerten und inzwischen tot sind. Jim, es hat nie eine Mannschaft erwähnt, nur den Feind. Angenommen, du glaubst an seinen extraterrestrischen Ursprung: Hältst du es für glaubwürdig, daß nur zwei Individuen zu einer intergalaktischen Expedition aufbrachen? Vielleicht hat es die übrigen Angehörigen der Besatzung getötet.«
Hollys Spekulationen konnten durchaus der Wahrheit entsprechen - wie praktisch alles, das ihr in diesem Zusammenhang einfiel. Sie standen dem Unbekannten gegenüber, und in einem unendlichen Universum gab es unendliche Möglichkeiten. Jim erinnerte sich daran, einmal einen diesbezüglichen Artikel gelesen zu haben. Selbst viele Wissenschaftler glaubten, daß auch die fantasievollsten Dinge, die sich der menschliche Geist ausmalen konnte, irgendwo im Universum existierten, weil die Schöpfung durch ihre unendliche Natur nicht weniger flexibel und fruchtbar war als die Vorstellungskraft eines beliebigen Menschen.
Jim kleidete diese Überlegungen in Worte und fügte hinzu:
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