Die Kälte in dir (German Edition)
nehmen.
Sie war froh, dass er ihr nicht seine schwielige Pranke entgegenstreckte. »Wie fühlen Sie sich? Ich meine, das war kein schöner Anblick.«
Die Erinnerung an die Leiche weitete seine Augen und er blickte unschlüssig in den Pappbecher. »Geht schon«, brummte er.
»Möchten Sie mit jemandem vom psychologischen Dienst darüber sprechen?«
Er machte den Eindruck, als fühle er sich durch dieses Angebot angegriffen, und schüttelte den Kopf.
Für Kristina ein Zeichen, zum Wesentlichen zu kommen. »Schildern Sie mir bitte, wie Sie den Toten gefunden haben?«
»Mein Hund hat was angeschleppt.«
»Die Extremität konnte sichergestellt werden«, murmelte Finckh in ihrem Rücken. »Also das, was der Hund davon übrig gelassen hat.«
Kristina verdrängte das unappetitliche Bild aus ihrem Kopf und knüpfte an ihre Befragung an. »Sie sind der direkte Nachbar von Egon Osswald?«
Mezger zuckte mit dem Kopf in Richtung des Gehöfts, das in etwa zweihundert Meter Luftlinie auszumachen war. Zwei rote Ziegeldächer, dahinter der Wald mit einem weiten Blick über die Baumwipfel hinweg zu den blaugrün schimmernden Bergrücken, die im klaren Licht den Horizont streiften. Dazwischen lag das Maisfeld, über dem die Hitze flimmerte wie über dem Steppengras einer afrikanischen Savanne.
»Woher wussten Sie, wem der Arm gehörte?«
Mezger zuckte mit seinen spitzen Schultern. »Er hat’s mir gezeigt.«
»Der Hund hat Sie zur Leiche geführt?«, hakte Kristina nach, der die Wortkargheit des Bauern schon nach dreißig Sekunden auf den Geist ging.
Vielleicht rede ich besser mit dem Tier?
»Na ja. Er rannte zurück ins Feld, und ich bin hinterher.« Mit dem Zeigefinger wies er durch die Toreinfahrt auf eine Stelle, um anzudeuten, dass er dort zwischen den Maisstauden auf die Straße gelangt war. »Ich hab gesehen, dass das Tor offen stand.«
»Das in der Regel geschlossen ist?«
Wieder hüpften die Schultern. Der Blick des Bauern wanderte ständig zwischen Kristina und Finckh hin und her. Mezger war es gewohnt, essenzielle Dinge mit Männern zu besprechen. Am Stammtisch, auf dem Nutzviehmarkt oder beim Verhandeln um den Milchpreis.
Meine Brüste machen ihn nervös.
Mezger trank den Rest des Wassers aus dem Becher und zerdrückte ihn in seiner Faust. »Meistens ist es zu«, erklärte er nach ein paar Sekunden.
»Wie gut kannten Sie Osswald?«
»Hat sich nicht oft sehen lassen. Auch nicht im Dorf«, fügte Mezger an und schabte mit dem Fuß im Kiesbett der Zufahrt.
»Aber Sie sind sicher, dass der Tote Egon Osswald ist?«
Der Landwirt zog seine schmalen Lippen über die Vorderzähne. »Wer denn sonst?«
»Viel war nicht mehr zu erkennen«, erinnerte Kristina ihn. Und was noch übrig war, lud keinesfalls dazu ein, es länger als eine Schrecksekunde zu betrachten. Trotzdem blieb der Landwirt bei seiner Behauptung.
»Wie lange wohnte er schon hier?«
»Das Haus steht schon, seit ich denken kann. Gehörte mal einem Fabrikbesitzer, der unten in Welzheim Nähgarn herstellte. In den späten Sechzigern war es damit vorbei. Wegen Asien, Sie wissen schon, die arbeiten dort ja für kaum mehr als nichts. Der Garnproduzent, mittlerweile in dritter Generation, suchte nach der Schließung des Werks sein Glück in Indonesien, wie man so gehört hat. Ab da stand der Kasten leer. Lange Zeit dachte ich, das Haus fällt irgendwann zusammen. Osswald hat es von Grund auf sanieren lassen, bevor er eingezogen ist.«
»Wann war das?«
»Dürfte so vor zehn Jahren gewesen sein, als er sich zur Ruhe gesetzt hat, wie die Leute erzählen. Für meinen Geschmack ein bisschen weit draußen für einen alleinstehenden Pensionär.«
»Klingt so, als mochten Sie ihn nicht.«
Zusammen mit dem zerknüllten Pappbecher stopfte der Bauer auch seine zweite Hand in die ausgebeulte Hose. Eine Mischung aus Trotz und Angst darüber, etwas Falsches gesagt zu haben, zeigte sich in seinem Blick. »Ich kannte ihn kaum. Der grüßte nicht mal, wenn man ihn zufällig zu Gesicht bekam.«
»Trotzdem haben Sie den Toten als Egon Osswald identifiziert?«, wiederholte Kristina.
»Ich … wer …?«
»Waren Sie vorher schon auf seinem Grundstück?«
Mezger sah sich um, als hoffe er auf Beistand. »Nachdem er eingezogen war, kaufte er das Brennholz bei mir. Das habe ich dann geliefert. In den letzten Jahren nicht mehr.«
»Warum? Gab es Probleme?«
»Ich war ihm wohl zu teuer.«
»Hatte er eine Putzfrau?«
»Ab und an stand ein Auto vorm Haus. Stuttgarter
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