Die Kälte in dir (German Edition)
Kennzeichen. Dabei gibt es genug Frauen im Ort, die sich gerne was dazuverdienen würden«, fügte er an. Ein Vorwurf, der nun zu spät kam.
»Auch Ihre Frau?«
»Warum nicht?«, erwiderte Mezger, der zu seinem Argwohn zurückgefunden hatte.
»Ich werde auch mit ihr sprechen müssen«, erklärte Kristina. »Planen Sie, in den nächsten Tagen in den Urlaub zu fahren?«
Er sah sie an, als hätte sie von ihm verlangt, in eine bodenlose Schlucht zu springen.
»Halten Sie sich bitte vorerst zur Verfügung!«
Kristina versammelte das Team am Einsatzbus. Finckh setzte sich in die offene Schiebetür. Sein Hemd war triefnass, als hätte er unter einem Gartenschlauch gestanden. Die Mannschaft reihte sich erwartungsvoll im Halbkreis um den Bus. Neben Sampo und seinen drei Kriminaltechnikern in ihren Papieroveralls waren noch zwei Kollegen aus Kristinas Abteilung für Gewaltverbrechen dazugestoßen.
Die junge Kommissaranwärterin Sonja Lachenmeier, die seit einem knappen Jahr im K1 war, und Kommissar Ralf Winkler, der etwa seit drei Jahren seinen Dienst für die Kripo tat. Es war der klägliche Rest ihrer Einheit, der nicht im Sommerurlaub war. Die Kinderlosen, gewissermaßen.
Sonja war das Küken des Dezernats. Sie trug wie immer Cargohose und Wanderschuhe, selbst bei diesem Wetter. Vielleicht wollte sie damit ihre zierliche Körpergröße kaschieren. Ralf hingegen war ein Brecher mit Stiernacken und breiter Brust und Oberschenkeln, welche den Knopf seiner hellen Leinenhose zu sprengen drohten.
Kristina wandte sich zuerst an die beiden Neuankömmlinge. »Ihr klappert die umliegenden Höfe ab, und danach fahrt ihr ins Dorf … Wie heißt das Kaff noch mal?«
»Langenberg«, klärte Finckh sie auf.
»Genau! Fangt mit den Läden an. Bäcker, Metzger, Supermarkt, falls vorhanden. Dann die Wirtshäuser. Irgendjemand muss was beobachtet haben. Auf dem Land bleibt nichts verborgen, es gibt keine städtische Anonymität. Jeder kennt jeden. An diesem Klischee muss was dran sein, machen wir es uns zunutze. Und setzt euch mit dem Forstamt in Verbindung und dem Postzusteller. Das gibt es doch nicht, dass keinem der Leichengeruch aufgefallen ist. Je nachdem, wie der Wind stand, muss es rund um die Villa mächtig gestunken haben. Wir treffen uns …«, sie sah auf die Armbanduhr, »… um siebzehn Uhr im Revier, und dann will ich was Brauchbares auf dem Tisch haben! Werner, du fährst zurück in die Dienststelle. Mach Dampf in der Zentrale. Ich will alles, was wir über Egon Osswald haben. Und überprüf gleich seine Telefonanschlüsse.«
Die Aussicht auf die Klimaanlage im Auto verhalf ihm offenbar zu einem Motivationsschub. Er richtete sich auf, und seine Bewegungen wirkten beinahe schwungvoll, während er auf den Dienstwagen zustrebte.
Kristina widmete sich erneut den jungen Kollegen. »Findet jemanden, der mir was über den Pensionär Egon Osswald erzählen kann.« Sie schreckte zusammen, als eine Hand ihre Schulter berührte.
»Das Haus ist jetzt auf«, erklärte Sampo. Seine Mimik zeichnete dabei eine ihm eigene Melancholie, die in ihr gelegentlich das Bedürfnis weckte, ihn in den Arm zu nehmen.
Heute nicht.
Die Putzfrau war da gewesen, nicht nur einmal, wie es schien. Nichts lag herum, kein Staub auf den blanken Oberflächen. Warum hatte die Zugehfrau die Abwesenheit des Hausherrn nicht bemerkt? Hatte sie das Tor offen gelassen?
Kristina schritt durch das Haus. Es war angenehm kühl, was daran liegen mochte, dass Jalousien vor vielen Fenstern das Sonnenlicht aussperrten. Die Einrichtung wirkte kostspielig, aber nicht überfrachtet. Zurückhaltend wie der Bewohner dieser Räume, der laut Karl Mezger keinen Kontakt zu anderen Leuten gesucht hatte. Hohe Stuckdecken, dunkles, eher zweckmäßiges Mobiliar, weiße Wände, ein paar wenige, abstrakte Gemälde, deren Wert Kristina nicht schätzen konnte. Die Küche sah aus, als hätte Osswald sie selten benutzt. Der Mülleimer war leer. Jemand hatte den Abfall in die Garage geschafft.
Dort stapelten sich Pizzakartons, aber auch Schachteln von anderen Lieferanten, die den Hausherrn mit Essen versorgt hatten. Von Junkfood über einen Internet-Fleischversand bis hin zu Feinkost war alles dabei. Dafür gab es im Kühlschrank nichts zu entdecken. Kein abgelaufener Joghurt, keine verschimmelten Tomaten. Wer hatte hier so gründlich aufgeräumt?
Nichts deutete darauf hin, dass jemand unbefugt eingedrungen war, um sich zu bereichern. Fenster und Türschlösser waren unversehrt.
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