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Die Kälte in dir (German Edition)

Die Kälte in dir (German Edition)

Titel: Die Kälte in dir (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kern
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anspielen«, meinte er, sich rechtfertigen zu müssen.
    Sie würden das überprüfen.
    »Womit hat er seinen Weggang begründet?«
    »War eine private Sache. Die Liebe bestimmt das Leben eines Menschen mehr als alles andere«, behauptete er.
    »Kannten Sie besagte Dame?«
    »Louise. Sicher. Sie passten gut zueinander. Ich habe nicht verstanden, warum sie sich trennten. Auch er hat mir nie verraten, warum sie plötzlich unterschiedliche Wege gingen. Schade, aber natürlich konnte ich nicht in sie hineinsehen. Ich weiß nur, dass Bruno Probleme mit ihrem Vater hatte. Ein Despot, dieser Osswald. Laut und auf eine schwer zu erklärende Weise unangenehm. Ich habe ihn ein einziges Mal getroffen, der Anlass ist mir entfallen, aber die Begegnung reichte, um mir weitere zu ersparen. Ich konnte Bruno verstehen, mit dem wäre ich auch nicht grün geworden.« Plötzlich unterbrach er seinen Redefluss für zwei Sekunden. »Ist der alte Osswald nicht … Ich habe da was gelesen … Mist, geht es darum?« Der Architekt zog die Brauen zusammen.
    »Wie gesagt, ich kann dazu nichts sagen«, erinnerte Kristina. »Für uns ist es sehr wichtig, Ihren ehemaligen Kompagnon zu finden. Nach der Trennung von Louise Osswald verließ er auch Ihre gemeinsame Firma, kann man das so sagen?«
    »Er hat doch nicht …« Die Erkenntnis schien ihn mitzunehmen.
    Sie verspürte das Bedürfnis, ihn zu trösten, und verschränkte die Arme vor der Brust, um nicht irgendeine Dummheit zu begehen. »Beantworten Sie bitte meine Frage«, verlangte sie mit leisem Nachdruck.
    »Danach ging es sehr schnell. Ich merkte, wie er sich veränderte. Er war unzufrieden mit allem. Wir hatten zu dieser Zeit einen Bauunternehmer als Kunden, der in Spanien mehrere Ferienanlagen plante. Der hat ihm einen Job angeboten, oder Bruno hat ihn danach gefragt, das weiß ich nicht mehr. Auf jeden Fall nutzte er diese Chance zur Flucht. Eine Weile war ich guter Hoffnung, dass er zurückkommt, wenn die Wunde verheilt ist. Auch später noch. Ich dachte, er taucht wieder auf, nachdem bei den Spaniern die Immobilienblase platzte und die Rezession absehbar war. Doch er ist weitergezogen, nach Nordafrika. Wir hatten die letzten Jahre nur noch sehr sporadisch Kontakt, nachdem er nach Afrika übersetzte, gar nicht mehr. Zuletzt hat ein anderer Kollege mir erzählt, dass er Bruno in Marokko begegnet war … Da fällt mir ein, das war übrigens genau der Architekt, der die Pläne für die Restaurierung von Egon Osswalds Villa oben in Welzheim umgesetzt hat. Verrückt, was für Zufälle es gibt. Aber die Polizei glaubt ja nicht an Zufälle, behaupten sie zumindest in den Fernsehkrimis immer.« Er brachte ein dezentes Lächeln zustande.
    Kristina reagierte nicht auf seine Anspielung. Sie überdachte Gentners Worte, während sie ihren Blick durch das Büro schweifen ließ. Irgendwo klingelte ein Telefon. An der Wand hinter dem Schreibtisch hingen ein paar gerahmte Fotos von Baustellen. Halb fertige Gebäude und Leute in Bauhelmen davor, die Konstruktionspläne in den Händen hielten und in die Kamera grinsten. Die Bilder wirkten wie Magneten und zogen Kristina aus dem bequemen Ledersessel.
    Während sie die Fotos aus der Nähe betrachtete, trat der Architekt hinter sie. Der herbe Duft seines Parfüms stieg ihr in die Nase. Ihr wurde wärmer, als sie sich wünschte.
    Kristina zeigte auf eine der Aufnahmen. Der junge Nikolaus Gentner lächelte ihr entgegen. Der Mann neben ihm sah mit ernster Miene an der Kamera vorbei, als hätte ihn in dem Moment, in dem der Fotograf den Auslöser drückte, etwas abgelenkt, das ihn verstörte.
    »Ist das Schwarz?«, fragte sie auf das Bild deutend.
    Gentner hauchte ein »Ja« über ihre Schulter.
    Doch die betörende Wirkung, die der Architekt auf sie ausübte, war mit einem Wimpernschlag dahin, als ihr auf dem Foto etwas auffiel.
    »War Bruno immer schon so dünn?«

15
    »Er konnte essen wie ein Scheunendrescher«, wusste Nikolaus Gentner zu berichten. »Trotzdem bekam er kein Gramm Fett zu viel auf die Rippen. Früher haben wir uns darüber lustig gemacht. Später fühlte Bruno sich dadurch angegriffen. Er sprach es nicht aus, aber er lachte nicht mehr mit, wenn es um seine Esserei ging. Er war überhaupt schnell eingeschnappt und beleidigt. Die Ernsthaftigkeit vereinnahmte ihn zusehends, nicht nur, wenn es darum ging, satt zu werden. Eine Weile dachte ich, dass er einfach erwachsen geworden ist, während ich noch mitten im Kindskopfstadium feststeckte. Die

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