Die Kälte in dir (German Edition)
und nicht die Geliebte getroffen hatte.
Von der Stuttgarter Halbhöhe aus nahm Kristina die zahllosen Stufen hinab in die City. Die Sonne stand hoch und brannte. Ein weiterer Tag ohne Wolken.
Sie dachte an Hannes Achterberg. Hatten dessen Geldnöte ihn zum Äußersten getrieben? Hatte der Biologe in seinem Labor irgendetwas entdeckt, um aus Fettgewebe Gold zu machen? Ein Alchimist und Frankenstein in einer Person? Oder jagte sie doch besser Bruno Schwarz? Doch worin lag das Motiv des Architekten? Denkbar wäre auch, dass beide unter einer Decke steckten.
Sie dachte an die hohe Geldsumme, die Achterberg von Schwarz erhalten hatte. Noch immer war nicht klar, woher die beiden Männer sich kannten. Kristina kam nicht voran und es gab weiterhin kein Lebenszeichen von Louise Osswald.
Sie rief Sonja an und beauftragte sie nachzuforschen, wo die Frau abgeblieben war. Außerdem sollten die Sonthofener Kollegen bei einem Ferienhaus in der Nähe von Ofterschwang nach dem Rechten sehen. Danach wählte sie Sampos Nummer.
»Wir haben ein paar verdächtig wirkende Glasröhrchen gefunden. Ich bin auf dem Weg ins Labor«, erklärte er. »Gib mir noch eine halbe Stunde, dann weiß ich mehr.«
Ihr blieb ohnehin keine Wahl. Daher wollte sie die Zeit nutzen, um bei Daniel im Krankenhaus vorbeizuschauen. Das lag auf dem Weg. Sie wusste von Linnemann, dass Daniel eine Bewachung abgelehnt hatte. Ihr wäre wohler gewesen, sein Vorgesetzter hätte darauf bestanden, statt den Worten seines unter Beruhigungsmitteln stehenden Untergebenen zu vertrauen. Was, wenn das Einbetonieren doch mehr als ein schmerzhafter Denkzettel oder vielmehr ein Warnschuss vor den Bug gewesen war?
Kristina erreichte das Hospital und eilte in den dritten Stock. Ohne zu klopfen, betrat sie das Krankenzimmer. Daniels Bett war leer und frisch bezogen. Seine beiden Nachbarn blickten ihr verdutzt entgegen.
»Den haben sie um eine Stunde verpasst«, sagte der Alte, der am Fenster lag.
»Hat ihn jemand abgeholt?«, wollte sie wissen, verwundert darüber, wieso ihr ausgerechnet diese Frage in den Sinn kam.
Die Herren schüttelten die Köpfe.
Er hätte Bescheid geben können. Ein kurzer Anruf nur. Sie spürte den Ärger. Wie oft in den letzten Tagen war sie schon sauer auf ihn gewesen, weil er sich unkooperativ verhalten hatte. Verquer und eigensinnig, genau wie sie.
Deshalb kamen sie nicht miteinander aus, sie waren einander zu ähnlich.
Sie verabschiedete sich und rannte über den Gang, das Handy bereits wieder am Ohr. Zwei Schwestern sahen ihr verwundert nach. Daniels Mailbox meldete sich.
»Wo steckst du?«, raunte sie nach dem Pfeifton.
Sie nahm sich erneut ein Taxi und nannte die Adresse. Ihr Herz pochte. Die Klimaanlage hinterließ augenblicklich einen kalten Film auf ihrer Stirn. Der Schauder kam von innen. Ein bekanntes Phänomen, das sie nicht in den Griff bekam. Ihrer Bitte, das Kühlaggregat abzustellen, kam der Fahrer nur widerwillig nach. Ihr Puls verlangsamte sich nur mäßig.
Der Drang, sich zu beeilen, wurde übermächtig. Sie ahnte, dass es nun doch voranging, erstmals seit dem Leichenfund vor einer Woche im Welzheimer Wald. Kristina spürte die wachsende Furcht davor, dass weitere schreckliche Dinge geschehen würden und sie trotz all der Eile wieder einen Schritt zu langsam sein würde.
Nachdem die Luft nicht mehr künstlich gekühlt wurde, machte sich die Hitze im Inneren des Wagens breit. Der Taxifahrer senkte die Scheibe ab, doch der stockende Verkehr verhinderte den ersehnten Fahrtwind. Alles, was durchs Fenster kam, waren Abgase.
Das Architekturbüro von Nikolaus Gentner lag im Stuttgarter Osten, nicht weit von dort entfernt, wo bis vor fünf Tagen noch Carola Walz gewohnt hatte.
Ein dezentes Messingschild neben dem Eingang des klassizistischen Gebäudes zeigte Kristina, dass sie richtig war. Die Tür war offen, und im Treppenhaus fand sie den Hinweis, sich in den zweiten Stock zu begeben. Ein langer Gang führte sie zu einem modernen Glasanbau, der über dem Hinterhof thronte.
Auch diese Tür ließ sich öffnen, es gab keinen Empfang. Kristina stand unmittelbar zwischen den Arbeitsplätzen der Bauzeichner und Konstrukteure. Sie zählte vier Leute, die alle konzentriert in ihre Bildschirme starrten, während ihre Hände virtuose Bewegungen auf elektronischen Zeichenbrettern ausführten.
Die junge Frau, die vor dem nächstgelegenen Rechner saß, reckte den Kopf über den Monitor. Kristina brachte ihr Anliegen vor und wurde auf einen
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