Die Kälte in dir (German Edition)
statt im Geschirrspüler seinen Platz zu finden. Das Ceranfeld des Herds war mit angebrannter Milch verkrustet, und auch die Arbeitsplatte unter den Hängeschränken hätte einen Lappen vertragen.
Kristina setzte sich auf den angebotenen Barhocker. Die Granitoberfläche des Tresens war klebrig. Der Kaffeevollautomat ratterte beim Mahlen der Bohnen, um kurz darauf mit einem leisen Zischen den Espresso in die Tasse zu tröpfeln. Martina Lorenz stellte den duftenden Kaffee vor Kristina ab. Ihre schmale Hand zitterte dabei.
Kristina nippte an dem heißen Getränk. »Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
»Gestern früh. Er ging morgens aus dem Haus, zusammen mit den Kindern. Er bringt Julian in die Schule und Klara in den Kindergarten, bevor er in die Praxis fährt. Wissen Sie, ich bin unabhängige Finanzberaterin und arbeite größtenteils von zu Hause aus«, warf sie ein, als wolle sie erklären, warum sie noch hier war. »Nachmittags rief er an, um zu sagen, dass wir mit dem Abendessen nicht auf ihn warten sollten. Er meinte, er müsse noch einen Hausbesuch machen.«
»Ist das üblich, dass er so etwas macht?«
Martina Lorenz schob eine Müslipackung von einer Ecke in die andere. »Es kommt nicht oft vor.«
»Sagte er auch, zu wem er wollte?«
»Ist ihm etwas zugestoßen?«
Eine Frage, die reichlich spät kam. Kristina hatte zwar bereits an der Tür angekündigt, dass es um eine Zeugenbefragung ging, aber das überraschende Verschwinden ihres Ehemanns und das Auftauchen der Kriminalpolizei schien Martina Lorenz nun doch ins Grübeln zu bringen.
»Ich weiß es nicht«, sagte Kristina. »Was denken Sie denn, wo er steckt?«
Frau Lorenz nahm eines der gebrauchten Gläser von der Spüle und hielt es unter den Wasserhahn. Nachdem es voll war, trank sie davon. Es blieb ein deutlicher Lippenstiftabdruck am Glasrand zurück.
»Zuerst dachte ich, er ist bei … Aber als sie dann aus der Praxis anrief, um sich zu erkundigen, ob Arthur sich verspätete …«
»Sie wissen von dem Verhältnis Ihres Mannes?«
Das sarkastische Grinsen brachte erstmals Emotionen in die bislang apathische Miene der Frau.
»Er war nicht besonders gut in seinen Versuchen, es zu verheimlichen.«
»Haben Sie ihn zur Rede gestellt?«
»Es mag in Ihren Ohren womöglich idiotisch klingen, wenn ich sage, dass sich der passende Zeitpunkt noch nicht ergeben hat.«
Kristina konnte die Reaktion nachvollziehen. In manchen Situationen sehnte man sich danach, dass sie einfach nur vorübergingen oder sich von selbst regelten. So, als wären sie nie vorgefallen.
»Benahm er sich in letzter Zeit auffällig verändert? Ich meine, unabhängig von der Geschichte mit seiner Sprechstundenhilfe.«
»Er wirkte sehr zerstreut und gereizt. Unübersehbar, dass ihn etwas beschäftigte, aber ich habe es natürlich auf seine Liaison bezogen. Arthur ist doch nicht in irgendetwas verwickelt?«
»Aktuell ist er nur ein wichtiger Zeuge. Mehr kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Wohin könnte er sich zurückziehen, wenn er, sagen wir, nicht gefunden werden möchte?«
Die Arztgattin blickte an ihr vorbei durch die Panoramascheibe. Die Aussicht über den Stuttgarter Talkessel war beneidenswert. »Wir haben ein Ferienhäuschen im Allgäu. Allerdings sind die Schlüssel hier, das habe ich überprüft.«
Kristina bekam ein sehr schlechtes Gefühl, notierte sich aber trotzdem die Adresse. »Wir werden das prüfen. Kennen Sie Hannes Achterberg und Bruno Schwarz?«
»Der zweite Name sagt mir nichts. Aber Hannes ist ein Bekannter meines Mannes. Früher war er sogar ab und an zu Besuch. Doch in letzter Zeit nicht mehr. Arthur hat nie darüber gesprochen, aber ich vermute, die beiden hatten einen Streit. Bislang war ich immer der Meinung, es hat irgendetwas mit der Segeljacht zu tun, die sie vor fünf Jahren zusammen gekauft haben. Damals, im Zuge einer spätpubertären Selbstfindungsphase, beschlossen die beiden, auf Freibeuter zu machen. Zumindest in Teilzeit. Wie ich etwa vor einen halben Jahr am Rande mitbekommen habe, hat Hannes die Jacht ohne Zustimmung meines Mannes wieder verkauft. Angeblich wegen finanzieller Schwierigkeiten. Seither hat Arthur kein gutes Wort mehr über seinen Segelkumpanen verloren. Weshalb ich mich wunderte, als er am Montagabend verkündete, sich mit Hannes treffen zu wollen.«
»Was er auch tat«, bestätigte Kristina, aus dem Drang heraus, der betrogenen Ehefrau die Gewissheit zu geben, dass ihr Mann tatsächlich seinen Freund
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