Die Kälte in dir (German Edition)

überprüfte die eingegangenen Nachrichten auf dem Handy.
    Kristina hatte versucht, ihn zu erreichen. Mehrfach. Er haderte mit sich, sie zurückzurufen. So wie er sich momentan fühlte, war er keineswegs dienstfähig. Nicht einmal als Chauffeur. Aber er wollte sie nur ungern hängen lassen. Er musste ihr helfen, diesen Verrückten zu finden. Letztlich verdankte er dem Remstalschlächter auch seine lädierten Unterschenkel.
    Was konnte er tun? Vom Sofa aus oder, wenn es ganz dumm kam, von seinem Toilettensitz aus?
    »Wir haben in Achterbergs Wohnung Reagenzien mit verdächtigen Rückständen gefunden«, begann Sampo seine Zusammenfassung.
    Die Runde war fast komplett, und auch Kurt Retter saß wieder als stiller Zuhörer am Tisch. Es mochte am Licht liegen, das durch die halb geschlossenen Rollläden fiel, aber er sah älter aus als noch vor ein paar Tagen. Wenn Kristina in die Gesichter der anderen sah, erblickte sie die gleichen tiefen Falten und dunklen Augenringe.
    »Die Glasröhrchen waren in einer Abstellkammer neben der Küche versteckt. Ich kann nicht erklären, wieso er sie nicht entsorgt oder zumindest professionell gereinigt hat, zumal er dafür nur in sein Labor hätte gehen müssen. Die Spuren darin sind nach dem DNA -Schnelltest eindeutig den Opfern Egon Osswald und Carola Walz zuzuordnen«, erklärte Sampo in der Runde, die kurzfristig einberufen worden war.
    »Sie sagten im Vorgespräch, das Versteck war nicht besonders gut. Wieso lässt der Verdächtige diese verfänglichen Beweise überhaupt zurück?«, stellte Decher zur Diskussion.
    »Vielleicht fehlte ihm die Zeit. Die Wohnung macht generell den Eindruck, dass der Biologe es eilig hatte.«
    »Berücksichtigen wir die Zeugenaussage der Arzthelferin Ela Chiumenti, hat Dr. Lorenz in den Räumlichkeiten nach etwas gesucht. Das würde die Unordnung erklären. Gleichwohl waren die gefundenen Indizien vermutlich der Grund für dessen Herumgestöber«, gab Kristina zu bedenken.
    »Bleibt zu klären, was der Arzt damit vorhatte. Wollte er diese eindeutigen Beweise verschwinden lassen, um seinen Freund oder eventuell gar sich selbst zu entlasten?«
    »Darauf bekommen wir wohl erst eine Antwort, wenn wir einen der beiden haben«, mischte sich Ralf Winkler ein und erntete zustimmendes Nicken.
    »Was ist mit der aus dem Labor verschwundenen Zentrifuge?«, wollte Kristina wissen.
    »Fehlanzeige«, antwortete Sampo. »Wobei ein größeres Gerät auf der Küchenablage einen Abdruck hinterlassen hat. Das lässt annehmen, dass er den Apparat dort in Betrieb hatte.«
    Die Frage, was mithilfe der Fliehkraft alles angestellt und getrennt werden konnte, führte zu einer kurzweiligen Diskussion, die Decher nach drei Minuten unterbrach, bevor die Spekulationen noch wilder wurden.
    In Sampos Labor lief zeitgleich zu ihrer Sitzung ein Verfahren, mit dem untersucht wurde, welches Zellmaterial sich in den Glasröhrchen befand. Danach würde man schlauer sein und konnte konkrete Maßnahmen einleiten.
    »Noch etwas«, meldete sich Sampo erneut zu Wort. »Die meisten von euch wissen ja bereits Bescheid, dass es sich bei der Brandleiche um Jakub Piecek handelt. Ich möchte hierzu anmerken, dass die Vergleichsproben aus Schwarz’ Wohnung von Utensilien aus Pieceks Kulturbeutel stammten. Seine Frau hat beide Gegenstände, von denen wir die Proben genommen haben, wiedererkannt. Kamm und Zahnbürste befanden sich laut Ilona Pieceks Aussage üblicherweise in der Reisetasche, die der Gatte auf seinen Touren nach Rumänien mitführte. Es ist also dringend zu klären, wie die Sachen in Bruno Schwarz’ Badezimmer gelangt sind.«
    Schwarz hat sie dort deponiert, um uns auf eine falsche Fährte zu locken
, dachte Kristina. Es war nicht nötig, diesen Verdacht laut auszusprechen, wenn sie in die angespannten Gesichter der Anwesenden blickte.
    Nach der jüngsten Faktenlage hatte Staatsanwalt Pokorny einen Haftbefehl gegen Bruno Schwarz erlassen. Decher hatte nach Kristinas Anruf sämtliche Videoaufzeichnungen der letzten Wochen durchsehen lassen und die IT -Spezialisten darauf angesetzt zu prüfen, ob jemand illegal Daten in den Computern der Ermittler durchforstet hatte. Bislang fehlten jegliche Hinweise darauf. Weder Schwarz noch eine andere Person war unberechtigt im Gebäude gewesen.
    Nach der Besprechung nahm Retter sie beiseite.
    »Hauptkommissar Linnemann war nicht leicht zu besänftigen«, ließ der Polizeidirektor sie wissen. »Ich weiß, Sie haben das nicht offen ausgesprochen.