Die Kälte in dir (German Edition)
verraten habe, wie nahe er seinem Ziel bereits gekommen ist. Nein, ehrlich! Es ist diese beschissene Angst, dass er mich tötet, sobald er darüber Bescheid weiß. Allein deshalb habe ich mehr und mehr Schuld auf mich geladen. Weit mehr, als ich ertragen kann. Es gibt keine Erlösung mehr für mich, selbst wenn wir den perfekten Spender finden. Ich will auch keine Vergebung. Es ist vorbei! Das ist deine letzte Dosis, Bruno!«, verkündete der Biologe aus dem Hintergrund, während die Zentrifuge sirrend weiterkreiselte.
Dann wurde der Bildschirm schwarz.
Kristina fand keinen Schlaf mehr. Am liebsten hätte sie Decher und das Team noch in der Nacht zusammengetrommelt, nachdem sie sich Achterbergs Vermächtnis ein zweites Mal angesehen hatten. Jetzt war es kurz vor sechs, und sie saß vor ihrem Rechner im Büro. Davor war sie eine Stunde joggen gewesen, kaum dass es hell genug war, um den Weg entlang der Rems und hoch in die Weinberge zu erkennen. Sie war gerannt, bis ihre Lunge brannte, schnell und intensiv wie schon lange nicht mehr. Den steilen Anstieg hinauf, mitten hinein in die Weinberge, in dieses friedliche Idyll, das viel zu trügerisch war, um es genießen zu können. Als lauere der Tod zwischen den endlosen Reihen von Rebstöcken, die schweigend Spalier standen für das Grauen, das über das Remstal gekommen war.
Jenseits des Stuttgarter Kessels hatten sich Wolken aufgetürmt. Über dem Schwarzwald, von Westen her kommend.
Wolken.
Wie lange hatte sie sich schon danach gesehnt. Der Wind hatte ihr ins Gesicht geblasen. Noch brauchte sie ein wenig Geduld, doch es würde kommen. Das Gewitter war im Anmarsch.
Über Nacht waren keine neuen Hinweise eingegangen. Weiterhin keine Spur von Louise Osswald. Die Sorge um sie drückte Kristina unangenehm in der Brust. Sie hegte kaum mehr Zweifel daran, dass Bruno Schwarz sie sich geholt hatte. Der Mörder, der so vieles zu wissen schien. Selbst, dass seine einstige Verlobte aus dem fernen Kanada zurückgekehrt war.
Doch nun deutete einiges darauf hin, dass Schwarz sich mit der Tötung von Dr. Lorenz in eine Sackgasse manövriert hatte. Womöglich lebte auch Achterberg nicht mehr. Damit blieb niemand übrig, der Schwarz mit dem aufbereiteten Fett versorgen konnte. Was unternahm er, um seinen Körper weiter mit Energie zu versorgen?
Kristina wollte nicht glauben, dass er bereit war, sich mit dem Tod zu arrangieren. Nicht, nachdem er so weit gegangen war und dabei jegliche Grenze überschritten hatte. Er würde weitermachen. Unerbittlich.
Um halb acht waren alle zugegen, und Sampo startete zum dritten Mal innerhalb weniger Stunden den Videoclip. Nach dem jähen Ende herrschte für eine Minute betretenes Schweigen, dann brandeten die Stimmen auf, bis Decher mit der flachen Hand auf die Tischplatte schlug.
Er ordnete an, die zahlreichen sichergestellten Beweise und Indizien neu zu beleuchten. Die Rekonstruktion der Tathergänge konnte mithilfe der neuen Informationen aus anderen Blickwinkeln erfolgen. Alle, die bislang in unterschiedliche Richtungen ermittelt hatten, würden nun ihre Kraft auf diese eine Spur bündeln, um in den Aktenbergen den alles entscheidenden Hinweis zu finden.
Um Bruno Schwarz aufzuspüren, bevor er wieder mordete.
»Finden Sie raus, was Schwarz während seiner Jahre in Spanien und Nordafrika getrieben hat! Womöglich gab es dort ähnliche Mordfälle«, trug Decher Kristina auf.
Darüber hatte sie schon nachgedacht. Auch Dr. Eisner hatte das angedeutet. Es war vorstellbar, aber sie selbst bezweifelte, dass der Architekt schon vor seiner Rückkehr nach Deutschland dem Drang zu töten verfallen war. Etwas war geschehen, das bei ihm einen Schalter umgelegt hatte.
In welches Loch war er gekrochen? Die Wohnung des Mörders musste nun rund um die Uhr überwacht werden. Eine Maßnahme, die Kristina für sinnlos hielt. Schwarz war schon seit letzter Woche nicht mehr in seinem Appartement gewesen. Er befand sich in einem Stadium völliger Entsagung, war zu einem Asketen geworden. Reduziert auf ein einziges Ziel: sein Überleben zu sichern.
Wenn er in einem Hotel in der Gegend abgestiegen war, dann nur unter falschem Namen. Das Fahndungsfoto dürfte mittlerweile an allen Rezeptionen liegen. Die Entscheidung, es an die Medien zu geben, war soeben gefällt worden. Spätestens am nächsten Morgen würde es auf allen erdenklichen Titelseiten prangen. Die Fernsehanstalten und Internetredaktionen brachten es sicher schon an diesem Tag. Die Jagd auf den
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