Die Kälte in dir (German Edition)
Alfred Hilger, der davon gesprochen hatte, dass Piecek das große Geld witterte. Es würde auch erklären, warum er seine Frau nicht eingeweiht hatte. Ihm musste klar gewesen sein, wie gefährlich Schwarz war, nachdem er entdeckt hatte, was mit Egon Osswald passiert war.
Aber wie kam der Täter auf Finckh?
Ein Bild drängte sich auf, wie ein Lichtblitz flammte es von innen an ihre Netzhaut.
Der Mann an der Kreuzung. Direkt unter ihrem Fenster.
War es so einfach? Hatte Bruno Schwarz sie von der Fußgängerampel aus beobachtet und seine Schlüsse gezogen?
»Was halten wir von Achterbergs Andeutung, er kenne den idealen Spender?«, hörte sie Thorwald Decher fragen. »Was, wenn er Schwarz dieses Wissen entgegen seiner Beteuerung doch verrät, möglicherweise, weil dieser ihn dazu zwingt? Immerhin ist uns bekannt, wozu dieser Mann imstande ist. Er nimmt sich, was er braucht.«
»Dann haben wir bald ein weiteres Opfer«, murmelte Kristina, und alle Blicke lagen auf ihr.
Kristina hatte ihm eine Dusche gestattet und nahegelegt, er möge die Wohnung sauber verlassen. Daniel rubbelte sein Haar trocken und betrachtete sich im Badezimmerspiegel, der trotz des warmen Wasserstrahls nicht angelaufen war, weil die Außentemperaturen ähnlich hoch waren.
Der Täter war nun zweifelsfrei identifiziert.
Daniel stellte sich vor, wie die Maschinerie des Polizeiapparats nun auf Hochtouren lief. Die Rote Zora würde ihn nicht mehr benötigen … Er ertappte sich dabei, das nach all dem Auf und Ab letztlich zu bedauern. Nur zu gern hätte er einen Blick auf den Mann geworfen, der diese fünf grausamen Morde verübt hatte.
Widerwillig schlüpfte er in die Klamotten vom Vortag. Er roch den getrockneten Schweiß, aber was blieb ihm anderes übrig. Vor ein paar Tagen war er verdreckter durch die Gegend gelaufen. Er hatte in der Tat eine knochenharte Woche hinter sich. Und zu allem Übel das Gespräch mit seinem Vorgesetzten in Aussicht.
Mit feuchtem Haar und knurrendem Magen verließ er Kristinas Wohnung und machte sich auf den Weg zur Haltestelle. Die Linie führte über das Stadtzentrum. Das war ein Fingerzeig. Warum sollte er jetzt, da die Entscheidung nahte, zurückstecken?
Daniel überlegte es sich anders und stieg aus, anstatt zum Bahnhof zu fahren. Kristina würde das sicher wieder als Trotzreaktion diagnostizieren. Er kam nicht dagegen an. Die Unruhe war zurück.
Diesmal nahm er den längeren Weg über die Tiefgarage. Es war noch früh, trotzdem wollte er nicht riskieren, den Reportern erneut zu begegnen. Er kam genauso schäbig daher wie am Tag zuvor, sie könnten sich an ihn erinnern.
Er musste nicht lange warten, bis sich das Tor öffnete und ein Einsatzwagen vom Gelände fuhr. Er schlüpfte durch die Einfahrt. Diesmal besetzte eine Polizistin den Empfang. Er lächelte und zeigte seinen Dienstausweis vor, trotzdem blieb der Blick der Uniformierten misstrauisch.
»Zu Oberkommissarin Reitmeier«, erklärte er. »Ich kenne den Weg.«
Sie notierte etwas, das er nicht sehen konnte, bevor sie ihm die Schleuse öffnete. Er bedankte sich, hinkte hindurch und bog ins Treppenhaus ab. Seine Beine funktionierten besser als gestern, das eine Stockwerk sah er als Herausforderung.
Ohne anzuklopfen trat er in Kristinas Büro. Sie war nicht da. Auch die Kollegen nebenan nicht. Sicher hockten sie alle im Krisenraum zusammen und debattierten über das weitere Vorgehen. Daniel setzte sich an den Schreibtisch der Kommissarin, um seiner verhärteten Wadenmuskulatur eine Pause zu gönnen. Er konnte nur warten und sich dabei eine Erklärung zurechtlegen, was er hier zu suchen hatte.
Nach einer Weile klingelte das Telefon.
Jemand benutzte Kristinas Durchwahl. Es konnte wichtig sein. Ein Hinweis zum Fall, der direkt für sie bestimmt war.
Seine Hand wanderte zum Hörer.
»Ich hätte gerne mit Kommissarin Reitmeier gesprochen«, verlangte die Stimme.
»Wer sind Sie?«, fragte er zurück. Und weil keine Antwort kam, fügte er an: »Ich bin ihr Kollege, Daniel Wolf.«
»Mein Name ist Maren Müller«, erklärte die Frau. Sie klang aufgewühlt.
»Wie kann ich Ihnen helfen, Frau Müller?«
»Ich bin mir nicht sicher. Louise hat mir diese Nummer gegeben. Für den Fall, wie sie meinte.«
Für den Fall!
Verdammt! In Daniels Hirn fingen die Neuronen an zu glühen. »Wo ist Louise Osswald?«
»Wenn ich das wüsste, würde ich nicht bei Ihnen anrufen«, antwortete Maren Müller, und es lag bereits ein Ansatz von Hysterie in ihrer Stimme.
Ganz
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