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Die Kälte in dir (German Edition)

Die Kälte in dir (German Edition)

Titel: Die Kälte in dir (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kern
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weckte und mitnahm.
    »Hast du schon reingeschaut?«, fragte sie mit vom Schlaf heiserer Stimme, um eine Einschätzung zu bekommen, ob es lohnenswert war, sich noch mal aus dem Bett zu quälen.
    »Nur kurz, um sicherzugehen, dass das Video läuft.«
    »Kannst du damit vorbeikommen?«
    »Jetzt?«
    »Das käme mir sehr entgegen«, antwortete Kristina.
    Sampo musste nicht lange überlegen. Die Neugier schien ihn ebenso gepackt zu haben. »Zehn Minuten«, verkündete er und legte auf.
    Sie setzte sich auf und stellte fest, dass sie ein T-Shirt und eine Jogginghose trug. So ganz unvoreingenommen ihrem Gast gegenüber war sie wohl doch nicht unter die Bettdecke gekrochen.
    Immer noch von Müdigkeit umnebelt trottete sie ins Bad und wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser. Dann ging sie in die Küche und warf die Kaffeemaschine an. Sie sah nach Daniel, der wie tot auf dem Sofa lag. Bevor sie ins Bett gegangen war, hatte sie ihm eine dünne Decke übergestreift, die nun auf dem Boden lag. Von unten hörte sie ein Auto die Straße hochfahren. War Sampo so schnell?
    Mit der Tasse in der Hand eilte sie zum Türöffner, als die Klingel überlaut die Ankunft ihres Kollegen ankündigte. Er kam mit einem Notebook unter dem Arm die Treppe hoch. Er sah übernächtigt aus, gleichwohl glänzten seine blauen Augen erwartungsvoll im grellen Treppenhauslicht.
    Während sie ihm einen Espresso machte, stellte er den Laptop auf den Küchentisch.
    »Wecken wir den Kleinen?«, fragte er, als der Startscreen des Rechners Bereitschaft signalisierte.
    Kristina zuckte mit den Schultern und ging ins Wohnzimmer. Sie rüttelte Daniel an der Schulter, der sich, begleitet von ein paar Schmatzlauten, zu regen begann.
    »Der Film fängt an«, verkündete sie.
    Er schlug die Augen auf und sah ihr verwundert entgegen.
    »Sampo wartet in der Küche«, sagte sie, ohne sicher zu sein, ob er in seinem schlaftrunkenen Zustand überhaupt verstand, was sie von ihm wollte.
    »Gibt’s Popcorn?«, nuschelte er und grinste.
    »Der Teufel hat viele Gesichter«, leitete Hannes Achterberg seine Videoaufzeichnung ein, die das Datum des vergangenen Sonntags zeigte.
    In einer Leiste am unteren rechten Rand lief die Zeit mit. Er hatte um kurz nach elf Uhr nachts mit der Aufzeichnung begonnen. Der Kamerawinkel war ungünstig und schnitt seinen Kopf knapp oberhalb seiner buschigen Brauen ab. Vermutlich saß er an einem Esstisch. Die Beleuchtung außerhalb des Lichtkegels, den eine nicht sichtbare Lampe auf die Holzplatte warf, war schlecht. Alles in seinem Umfeld versank in einem dunklen, grobkörnigen Nebel, der zum Bildschirmrand hin immer schwärzer wurde. Im Hintergrund war ein leises Sirren zu hören.
    »Das ist eins davon«, erklärte er seine Einleitung und schwenkte ein Glas vor den Fokus, in dem eine goldbraune Flüssigkeit schimmerte.
    Höchstwahrscheinlich Whisky, was das deutlich zu vernehmende Lallen in seiner Stimme erklärte. Er prostete der Kameralinse zu und trank einen Schluck, leckte sich über die Lippen und rückte dem Aufnahmegerät noch ein Stück näher.
    »Ich hätte nicht mit dem Teufel beginnen sollen«, räumte er ein und schüttelte den Kopf.
    Sein silbergraues, kinnlanges Haar fiel ihm wie ein strähniger Vorhang vor die traurigen, rot geränderten Augen, in denen tiefe Resignation lag. Durch die schlechte Ausleuchtung verliefen die Falten rechts und links der Nase in tiefen Gräben hinab bis zum Doppelkinn. Auf seinen Wangen sprossen mehrere Tage alte Bartstoppeln. Mit einer kraftlos wirkenden Bewegung strich er sich die Haare aus dem Gesicht und klemmte sie hinter das Ohr.
    »Läuft das Ding überhaupt?«, fragte er und beäugte die Kamera skeptisch.
    Achterberg bekam keine Antwort auf seine Frage, schien aber trotzdem überzeugt, weitermachen zu können.
    Er führte das Schnapsglas erneut an der Linse vorbei. »Wenn er dich einmal hat, lässt er dich nicht mehr los. Bei Bedarf, oder wenn dich Zweifel an der Richtigkeit deines Handelns plagen, wechselt er sein Aussehen, damit du gefügig bleibst«, verkündete er und kippte sich den restlichen Inhalt in den Rachen.
    Man hörte, wie er das Glas außerhalb des Aufnahmewinkels laut auf den Tisch knallte.
    »Angefangen hat es im Casino. Da traf ich ihn zum ersten Mal. Ein zartgliedriges Bürschchen mit blassem Teint, den schönsten Bernsteinaugen, die mir je untergekommen sind, einem schmalen Lächeln und einer schwarzen Fliege unter seinem spitzen Kinn …« Er hob den Zeigefinger und hielt

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