Die Kälte in dir (German Edition)
fünf Sekunden lang inne. »Nein, ich muss mich korrigieren, geritten hat er mich schon Jahre vorher. Wer, verdammt noch mal, hatte eigentlich diese Idee mit der Pokerrunde?« Er blickte über die Schulter, als würde er dort jemanden vermuten, der ihm soufflierte, und dann wieder in die Kamera. »Ich war’s!«, verkündete er und lachte grollend, bis er zu husten begann. Um das Kratzen in der Kehle zu beseitigen, half er sich mit einem Schluck Whisky.
»Hoffentlich kommt er bald zum Punkt«, murmelte Hietaniemi.
Auch Daniels Geduld stand bereits unter äußerster Spannung. Er war mittlerweile hellwach, ohne auch nur einmal von dem Kaffee genippt zu haben, den Kristina ihm in die Hand gedrückt hatte.
Der Biologe stupste die Kamera an, das Bild wackelte. Danach war sein Gesicht noch stärker angeschnitten und zeigte jetzt eher sein Profil. Die knollige Nase beschattete die ihnen zugewandte Gesichtshälfte. Er blickte nicht mehr direkt in die Linse, sondern darüber hinweg, als würde das, was er zu sagen hatte, an der gegenüberliegenden Wand stehen. »Er hat mich angelacht, mal als Herzbube, mal als Pikdame. Immer freundlich, dieser Schleimscheißer. Ein dreckiger Verführer, aber das ist ja allgemein bekannt … Man glaubt es nur nicht, wenn andere davor warnen. Bis es zu spät ist. Bis es zu spät ist!«, wiederholte er, und sein Kinn sackte nach unten. »Er fängt dich und steckt dich in sein Aquarium der Eitelkeiten, in dem er dich jederzeit betrachten kann, wenn er geil darauf ist, dich leiden zu sehen. Anfangs kapierst du es nicht. Bis … ja, bis du endlich begreifst, dass er dich in seinen Fängen hält und du keinen freien Willen mehr hast.« Die letzten Sätze hatten ihn angestrengt. Er musste sie mit einem Schluck hinunterspülen.
Dann legte er den Kopf schräg, wie ein Hund, der auf ein bestimmtes Geräusch horchte, das nur er hören konnte.
»Ich bin nicht besonders gut im Filmemachen«, gestand er plötzlich. Seine Bewegungen außerhalb des Aufnahmewinkels und die Geräusche ließen vermuten, dass er sein Glas nachfüllte. »Es fällt mir leichter, wenn ich betrunken bin«, entschuldigte er sich. »Damit unterscheide ich mich wohl kaum von den meisten Hollywood-Regisseuren«, fügte er hinzu und grinste spitzbübisch.
»Wenn er so weitermacht, ist er besoffen, bevor er uns mitteilen kann, was er auf dem Herzen hat«, kommentierte Hietaniemi die Bilder, die auf dem Laptop flimmerten.
Ehe Kristina oder Daniel etwas erwidern konnten, redete Achterberg weiter: »Lange Zeit dachte ich, der Russe wäre der schlimmste Teufel, der mir je begegnet ist. Zuerst reichte er mir die Hand, wie nur wahre Freunde es tun. Er umarmte mich herzlich, küsste mich auf die Wange. Nichts als ein verräterischer Bruderkuss, denn einen Atemzug später verlangt er alles zurück, inklusive meiner Seele … Nein, Seelen interessieren den Russen nicht, die lassen sich nicht zu Geld machen … also inklusive meines Lebens … Aber es kam noch schlimmer …«, fuhr er nach einer Pause fort, während der er konsterniert ins Nirgendwo stierte. »Auch wenn sich das da draußen keiner von euch vorstellen kann. Darauf verwette ich meinen letzten Single Malt.« Er wandte sich ab und hob etwas an, bei dem es sich nur um die Schnapspulle handeln konnte. »Ist nicht mehr viel drin«, ließ er bedauernd verlauten.
Er legte den Kopf auf die Tischplatte. Das Haar fiel über sein Gesicht. Er wollte die Strähnen beiseitepusten, blieb jedoch auch beim dritten Ansatz erfolglos. Hinter dem Haarvorhang vor seinem Mund redete er weiter.
»Ich habe ihn nicht mehr erkannt, als er an meine Tür klopfte. Wahrscheinlich, weil er mittlerweile die Fratze des Höllenfürsten trägt. Mir reichte das Wasser bis zum Hals, was sollte ich tun? Jeder in meiner Situation hätte diesen Pakt besiegelt, ohne über die Abscheulichkeit nachzudenken, die damit verbunden war. Diese Begegnung verdanke ich übrigens Dr. Lorenz, diesem Arschloch. Ich glaube nicht, dass er sich an mich erinnert hätte, wenn Arthur ihn nicht zu mir geschickt hätte. Aus Rache dafür, weil ich den Kahn verscherbelt habe. Der zur Hälfte mir gehörte, verflucht!«, schrie er und richtete sich abrupt auf. Mit einem Ruck warf er sein Haar nach hinten und schlug gleichzeitig mit der Faust auf den Tisch, dass die Kamera umkippte.
Fortan war das Bild um neunzig Grad gedreht, doch Achterberg schenkte dem keine Beachtung mehr.
»Ich konnte tun, was er verlangte, war in der Lage, ihm zu
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