Die Kälte in dir (German Edition)
begann die Reinigungskraft zu erzählen. »Osswald war selten da, wenn ich bei ihm putzte. Er ging mir aus dem Weg, ging allen aus dem Weg. Ich habe nie bemerkt, dass er mal Besuch gehabt hätte. Stellen Sie sich vor, dieses riesige Haus, ganz allein für diesen alten Mann. Eigentlich konnte mir das ja recht sein, einer allein macht weniger Dreck. Trotzdem war es irgendwie gruselig, dass sich so gar niemand für ihn interessierte. Er lebte ungesund. Dazu jede Menge Tabletten. Sie verstehen? Er hätte sich wahrlich besseres Essen leisten können, auch eine Köchin. Ich meine, wer so ein großes Anwesen unterhalten kann … und die teuren Möbel. Na ja, wie auch immer. Anweisungen für mich schrieb er auf einen Block in der Küche, und ich arbeitete das ab.«
»Und der Keller?«
»Er wollte nicht, dass ich in den Keller ging, das hatte er bei meinem Vorstellungsgespräch mehrfach betont.«
»Mit welcher Begründung?«
»Er war der Kunde, da brauchte es keine Erklärung. Alles, was ich zum Saubermachen benötigte, fand ich in einem Wirtschaftsraum neben der Küche. Es gab keinen Grund, die Treppe nach unten zu betreten.«
»Was Sie aber nicht davon abhielt«, bohrte Kristina.
Die Sonne kam um die Ecke gewandert und stach durch das Bürofenster. Mit dem Hörer am Ohr stand sie auf und senkte die Rollläden ab.
»So was macht aber auch neugierig«, fuhr die Putzfrau fort. »Ich meine, wenn man es so direkt verboten bekommt. Er hat es ja auch nie bemerkt, und dieser eine Raum im Keller war ohnehin immer abgeschlossen. Ich habe es vielleicht zwei-, dreimal probiert und dann gelassen. Ich nehme an, den Schlüssel dafür trug er stets bei sich. Wissen Sie, es hatte alles seinen festen Platz, selbst die Schlüssel am Schlüsselbrett. Doch eines Tages, beim Aufräumen in seinem Schlafzimmer, lag da dieser einzelne Schlüssel, den ich vorher noch nie gesehen hatte. War ihm wahrscheinlich aus der Hosentasche gerutscht und unbemerkt auf den Boden gefallen, als er die Hose über den Stuhl gelegt hatte.«
»Und dann haben Sie die Gelegenheit beim Schopf gepackt?«
»Ich habe nicht verstanden, was dieser geheimnisvolle Raum für den Alten bedeutete. Und ich wünschte, ich hätte ihn nie betreten.«
»Er hat Sie dabei erwischt?«, mutmaßte Kristina.
»Ja! Es war … Im ersten Moment hatte ich große Angst. Als er plötzlich hinter mir auftauchte. Das war … Er war von imposanter Statur, trotz seines Alters. Nachdem ich mich wieder rühren konnte, bin ich an ihm vorbei durch die Tür, raus aus dem Haus und sofort heimgefahren. Zwei Tage später kam die Abmahnung meiner Firma, weil ich angeblich eine seiner blöden Armbanduhren gestohlen hätte.«
»Konnten Sie die Sache nicht richtigstellen?«
»Und von den Todesanzeigen im Keller berichten? Wer hätte mir geglaubt, nachdem Osswald mich angeschwärzt hatte?«
»Kennen Sie Ilona Piecek?«
»Sie hat meine Stelle bei Osswald übernommen, ich weiß. Ihr ist doch nicht auch was passiert?«, fragte Bianca Novák, und die Sorge klang glaubhaft.
»Nein. Mich würde nur interessieren, ob Sie mit ihr jemals über den Keller gesprochen haben?«
Ein Seufzen drang an ihr Ohr. »Ich wollte mit niemandem darüber sprechen. Der Blick des Dicken, als er mich dort unten überraschte, beschert mir heute noch Albträume. Wissen Sie, meine Großmutter war noch eine echte Zigeunerin, und sie hat mir früher erzählt, wie sie Leute verflucht hat, die ihr Böses wollten. Deshalb wusste ich in diesem Moment im Keller, dass auch er mich mit einem Fluch belegte. Diese Einsicht bin ich nicht mehr losgeworden, egal wie oft ich mir versichert habe, dass ich nicht abergläubisch bin. Von daher, bitte halten Sie mich nicht für pietätlos, aber jetzt, da er tot ist, kann ich vielleicht wieder besser schlafen.«
Harte Worte, aber Kristina konnte die Frau nicht verurteilen. Egon Osswald blieb in weiten Teilen ein Rätsel.
Sie musste darauf bauen, dass seine Tochter mehr dazu beitragen konnte, diesen seltsamen Mann zu verstehen.
Bereits den Dank für das Gespräch auf den Lippen, fiel ihr noch etwas ein. »Wissen Sie, wer bei Osswald die Gartenarbeit erledigt hat?«
»Seltsam, dass Sie mich das fragen«, gab Bianca Novák ohne Zögern zurück. »Ich meine, wo Sie doch schon mit Ilona gesprochen haben.«
Kristina bekam den Eindruck, dass der Luftstrom aus dem Ventilator plötzlich kälter wurde. »Was wollen Sie damit sagen?«
»Jakub machte den Garten. Ilonas Mann, Jakub Piecek.«
»Wolf!« Die
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