Die Kälte in dir (German Edition)
Kommissarin stürmte in der Kantine auf seinen Tisch zu.
Daniel spürte die neugierigen Blicke der Kollegen. Vielleicht waren die Gerüchte über interne Ermittlungen gegen ihn selbst bis ins Waiblinger Revier gelangt.
Er stand auf, bevor Reitmeier bei ihm war, und wischte die Brösel vom T-Shirt.
»Verdammt, Sie sollten sich abmelden!«, fuhr sie ihn an.
Köpfe drehten sich nach ihnen um.
»Wo soll’s hingehen?«, fragte er, statt die Konfrontation zu suchen. Dafür fühlte er sich zu müde. Die ewige Warterei auf die Kommissarin war ein Nährboden für seine Frustration und laugte ihn aus.
»Fellbach«, sagte sie und machte auf dem Absatz kehrt.
Ihre Hektik rüttelte ihn wach. Wie es schien, war Bewegung in den Fall geraten, und ihr Aktionismus wirkte ansteckend. Mit raschem Schritt folgt er ihr aus der Kantine.
Auch dieses Mal blieb die Klimaanlage aus. Allem Anschein nach hatte die Kommissarin eine Aversion gegen künstlich erzeugte Kälte. Zum Glück dauerte die Fahrt keine zehn Minuten, die sie in einvernehmlichem Schweigen verbrachten. Sie meckerte nicht, dass er zu langsam fuhr, und er hielt sich zurück und sprach sie wegen der Klimaanlage nicht an.
Das Haus in der Fellbacher Bahnhofstraße war renovierungsbedürftig. In der Eisdiele gegenüber drängte sich eine Schar Kinder. Ansonsten taugte die hohe Temperatur dazu, die Leute von der Straße fernzuhalten.
Die Kommissarin ließ Daniel keine Zeit zum Verschnaufen und eilte voraus. Sie wusste, welche Klingel sie betätigen musste. Erst als eine blecherne Stimme aus der Gegensprechanlage drang, bemerkte sie, dass er nicht im Wagen geblieben war, sondern neben ihr stand.
»Kein Alleingang bei brenzligen Einsätzen«, versuchte er es mit einem Scherz.
Sie sah ihn einen Moment lang abschätzend an.
»Kommen Sie, gönnen Sie mir etwas Unterhaltung.«
»Wer ist da?«, schallte es erneut aus dem Lautsprecher über den Klingelschildern.
»Reitmeier, Kripo Waiblingen. Frau Piecek, ich hätte noch ein paar Fragen«, sagte sie laut.
Es dauerte verdächtig lange, bis der Türöffner summte und Reitmeier an der Klinke zog, ohne den Blick von Daniel abzuwenden. »Kein Wort, Sie sind Luft, verstanden?«
Er brachte ein unschuldiges Lächeln zustande und folgte ihr ins Treppenhaus. Eine hagere Mittvierzigerin erwartete sie in der Tür zu ihrer Wohnung. Sie trug einen ausgeblichenen Frotteebademantel, so als hätten sie die Frau aus der Badewanne geholt. In ihrem Blick paarte sich Überraschung mit Misstrauen.
»Wollen Sie das Gespräch im Treppenhaus führen, oder bitten Sie uns herein?«, fragte die Kommissarin.
Mit zusammengepressten Lippen wich die Frau zur Seite und ließ sie ein. Piecek lenkte sie in die Küche. Die Kommissarin schien den Weg zu kennen. Daniel stellte sich mit dem Rücken zum Fenster, das einen Spalt gekippt war.
»Sie haben mich belogen, was Ihren Mann angeht, Frau Piecek«, sagte Reitmeier.
Binnen einer Sekunde wurde die Frau noch kleiner, krümmte sich auf ihrem Stuhl wie ein Wurm, den man auf einen Angelhaken spießte. Sie schob den Kragen ihres Bademantels unter ihrem spitzen Kinn zusammen, als würde sie frieren. Mit nervösen Fingern holte sie eine Zigarette aus der Schachtel, die auf dem Tisch lag, und steckte sie an.
Sie inhalierte gierig und blies den Rauch gegen die vom Nikotin vergilbte Decke. »Ich wollte ihn nicht in Schwierigkeiten bringen. Er machte das schwarz …«
»Hier geht es um eine Mordermittlung, Frau Piecek. Ich muss dringend mit ihm reden! Wo ist Ihr Mann?«
»Auf Montage, das sagte ich bereits … in Rumänien«, stammelte die Frau, nun deutlich eingeschüchtert.
Aber vielleicht spielt sie auch nur, meldete sich Daniels Intuition. Sollte er es je zum Fallanalytiker schaffen, musste er in den Gesichtern der Leute zu lesen lernen. Wohin wanderte der Blick auf der Suche nach der Wahrheit oder der Lüge?
Zumindest niemals in dieselbe Richtung.
»Für welche Firma?«, fragte Reitmeier nun schon härter.
»Er ist selbstständig.«
»Ich kann das überprüfen, Frau Piecek!«
Die Frau zitterte trotz der Wärme. Eine einsame Träne lief über ihre Wange und verfing sich in der tiefen Falte, die sich von der Nase bis hinab zum Kinn zog. Weil kein Aschenbecher greifbar war, schnippte sie die Asche in den leeren Kaffeebecher.
»Jakub ist arbeitslos gemeldet … Bitte, wie soll ich ihm das erklären, wenn er jetzt Ärger bekommt«, jammerte sie.
»Wann war er zuletzt bei Osswald?«, drängte die
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