Die Kälte in dir (German Edition)
Misstrauen. Na ja, Letzteres kannten wir ja aus DDR -Zeiten«, fügte sie hinzu, und auch wenn Doreen ihr den Rücken zukehrte, meinte Kristina doch, die Bäuerin bedauernd lächeln zu sehen.
»Und dann kam Karl Mezger und hat Sie gerettet?«
Doreen begann die Federn aus dem schlaffen Hühnerleib zu rupfen und verzichtete auf eine Antwort.
»Wo ist Ihr Mann?«
»Auf dem Feld. Wir haben noch Getreide auf der anderen Seite von Welzheim. Er wird nicht vor Mittag zurück sein.«
Kristina überlegte, nach dem Weg dorthin zu fragen. Wollte sie überhaupt noch mit dem Bauern sprechen? Sie war sich nicht einmal mehr sicher, warum sie hier hochgefahren war. Hatte sie nicht längst eine andere Spur, die ihr wichtiger erschien? Was machte der Mörder mit dem Körperfett? Darauf sollte sie ihre Recherchen konzentrieren.
Diese Leute schlugen ihren Hühnern die Köpfe ab und schlachteten ab und an ein Schwein. Aber einen Menschen? Weder Karl Mezger noch seiner Frau traute sie einen Mord zu.
»Haben Sie Kinder?«, fragte Kristina, weil sie merkte, dass die Stille neben sie in die Milchküche getreten war.
»Ist das für Ihre Mördersuche wichtig?«
»In diesem frühen Stadium der Ermittlungen kann alles wichtig sein«, versicherte Kristina.
Doreen Mezger drehte sich wieder zu ihr um. An ihren spröden Händen klebte Hühnerflaum. »Hat nie geklappt«, sagte sie und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Eine der weißen Federn blieb über ihrer Augenbraue hängen, ohne dass sie es bemerkte. »Wir haben das Geld für die teure Hormonbehandlung nie zusammenbekommen. Jetzt sagen die Leute, ich wäre zu alt. Keine Kinder für meinen Mann und mich, keine Enkel für meine Eltern. Das Leben hier oben ist nicht nur körperlich hart«, sinnierte sie und schüttelte den Kopf, nachdem ihr bewusst wurde, was sie von sich gegeben hatte.
»Wohnen Ihre Eltern noch in Langenberg?«
»Meine Mutter ist vor drei Jahren gestorben.«
»Und Ihr Vater?«
»Weigert sich nach wie vor, zu uns auf den Hof zu ziehen.«
Kristina weckte Wolf, als sie ins Auto stieg.
»Waren Sie erfolgreich?«, fragte er gähnend.
»Ich weiß jetzt, wie man ein Huhn rupft.«
Sein Lächeln machte ihn sympathisch. Vor allem die Grübchen in seinen unrasierten Wangen. Dann fiel ihr ein, wie gerne sie ihre Hände auf das Lenkrad legen würde, auf dem nun die seinen lagen.
»Wollen wir noch zur Villa?«, fragte Wolf. »Es könnte nicht schaden, einen Blick auf das Polizeisiegel zu werfen.«
»Ich habe bislang noch mit keinem gesprochen, der freiwillig dieses Grundstück betreten hat«, erwiderte sie.
»Abgesehen vom Mörder«, antwortete er.
»Selbst da bin ich skeptisch, was das
freiwillig
angeht«, flüsterte Kristina. »Aber gut, wir überprüfen, ob alles in Ordnung ist, und dann zurück nach Waiblingen. Ich habe um elf einen Termin.«
Er sah auf die Uhr. Es war kurz nach halb neun. »Noch genug Zeit«, meinte er.
»Bei Ihrem Fahrstil will ich auf Nummer sicher gehen.«
Plötzlich sah er hellwach aus. »Was wollen Sie damit andeuten?« Die Ablehnung in seiner Stimme war zurück.
Kristina machte eine abwehrende Geste. »Nur so ein Gefühl, dass Sie arg viel Respekt vor dem Gaspedal haben.«
»Dafür habe ich meinen Führerschein noch!«
Damit war der Finger direkt in der Wunde. Er wusste Bescheid. Natürlich tat er das. Retter musste ihn aufgeklärt haben, warum er für sie den Chauffeur geben durfte.
»Dann sollten Sie mir nun Ihre Sünden beichten, damit auch ich weiß, woran ich bei Ihnen bin«, schlug sie vor.
»Semesterferien«, sagte er, ohne sie anzusehen.
»Vergessen Sie das! Mir hat ein Vögelchen gezwitschert, Sie sind Kommissaranwärter und im dualen Studium an der Polizeiakademie. Psychologie und Soziologie, so viel haben Sie ja schon selbst verraten. Klar ist, da gibt es keine Ferien. Zwischen den Semestern ist ganz normal Dienstzeit.«
»Oh, die Oberkommissarin hat mich erwischt«, fauchte er und startete den Motor. Beim Losfahren drehten die Räder durch.
Passiert dir nicht so oft, Junge, dass du so einen Kavalierstart hinlegst
, dachte Kristina und grinste in sich hinein.
Carola Walz, die Frau, die vor einem guten Jahrzehnt Egon Osswald mit einem Messer attackiert hatte, war bereits acht Minuten zu spät.
Kristina hasste Unpünktlichkeit, vor allem, wenn es um eine Vernehmung ging. Sie hatte immer das Gefühl, dass die vorgeladene Person mit jeder Sekunde über der Zeit verdächtiger aussah.
Wurde Carola Walz von ihrem
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