Die Kälte in dir (German Edition)
Kommissarin.
»Am Tag, bevor er nach Rumänien aufgebrochen ist. Mittwoch letzter Woche, glaube ich. Ich habe ihn seitdem nicht mehr gesprochen.«
»Und davor?«
»Donnerstag vor zwei Wochen, zusammen mit mir.«
»Und da ist ihm nichts aufgefallen?« Kristinas Tonfall wurde noch schärfer.
Die Piecek schüttelte den Kopf, was die Kommissarin dazu nötigte, mit der flachen Hand auf die Tischplatte zu schlagen. »Da lag Osswald schon tot hinterm Schuppen. Ihr Mann hätte ihn doch wohl finden müssen, oder?«
Die Frau schniefte in ihren Bademantel, stand auf und drückte die Kippe in den Aschenbecher neben der Spüle. Mit schlürfendem Schritt fand sie zurück an den Küchentisch. »An dem Tag hat es geregnet, er musste nicht viel machen«, versuchte sie zu erklären, warum ihr Mann nicht über die Leiche gestolpert war.
»Wie kann ich ihn erreichen?«
»Ich habe es versucht, er geht nicht ans Handy«, gestand sie mit zittriger Stimme. »Vielleicht gibt es dort, wo er sich gerade aufhält, keine Verbindung.«
»Wann kommt er zurück?«
Frau Piecek suchte Daniels Blick, als hätte er die Antwort darauf. »Er sollte längst schon wieder hier sein … ich …?«
»Was macht er dort unten?« Kristina feuerte ihre Fragen nun wie Maschinengewehrsalven hinaus. Schnell und durchschlagend.
»Er bringt eine Lieferung.«
»Und was?«
»Elektronik. Altes Zeug. Ich weiß nicht genau.«
»Macht er die Tour allein?«
Piecek schüttelte den Kopf. »Meistens sind sie zu zweit, manchmal zu dritt.«
»Nennen Sie mir Namen.«
Wieder sah sich die Frau nach Daniel um, als erwarte sie, dass er sie von hinten anfiel. »Ich kenne die Männer nicht. Jakub hat manchmal einen Alfred erwähnt … Er sagte mir immer, es ist besser, wenn ich nichts darüber weiß, dann brauchte ich mir keine Sorgen zu machen.«
Kristina saß plötzlich ganz aufrecht, so als wäre ihr ein Stromschlag in die Wirbelsäule gefahren. Daniel horchte auf. Der stickige Dampf in der Küche war vergessen. Er konnte mit der Aussage nichts anfangen, dafür fehlten ihm die Zusammenhänge, aber wie es schien, waren ein paar entscheidende Worte gefallen.
Die Spannung zwischen den beiden Frauen am Küchentisch war spürbar. Was hatte die Ermittlerin so in Aufruhr versetzt?
»Elektroschrott?«, fragte Reitmeier. »Vom Wertstoffhof? Arbeitet Ihr Mann für die sogenannte Müllmafia?«
Das war ein Schuss ins Blaue, aber Pieceks Reaktion hätte auch jemand ohne zwei Semester Psychologiestudium richtig deuten können. Kristina Reitmeier hatte einen Volltreffer gelandet.
Sie saßen bereits wieder im Auto, als Sampo sich meldete.
»Wir haben alle Personen auf der Gästeliste erreicht, bis auf einen. Ein Architekt. Bruno Schwarz. Wohnt am Galgenberg.«
»Können wir uns dort treffen?«, fragte Kristina. »Wir sind unterwegs.«
Sampo nannte die Straße und Kristina lotste Wolf über die Ortsumfahrung zu dem exklusiven Wohngebiet im Waiblinger Norden.
»Sie waren doch in der Abteilung für Organisierte Kriminalität? Gibt es Berichte über diese ominöse Müllmafia?«, fragte sie ihn auf halbem Weg durch die Stadt.
Er grinste. »Laut Anweisung ist es mir nicht gestattet, über laufende Ermittlungen zu sprechen. Genau genommen darf ich überhaupt nichts sagen«, gab er ihr zu verstehen.
»Ich gestatte Ihnen, eine Ausnahme zu machen. Und falls Sie mich jetzt fragen, ob ich dazu befugt bin … Wahrscheinlich nicht.«
Er zuckte mit den Schultern und sah ihr verschmitzt entgegen. »Das organisierte Verbrechen in Stuttgart macht nicht in Müll«, sagte er. »Und wenn Sie meine Meinung hören wollen, halte ich diese Müllkriminalität für überzogen und keineswegs organisiert. Nicht im Sinne dessen, was in meinem Dezernat darunter verstanden wird.«
»Also keine mafiosen Strukturen, sondern Einzeltäter oder eine zusammengewürfelte Bande?«, hakte sie nach, und er nickte.
Die Ahnung, die ihren Überlegungen entwuchs, war fragil wie eine Seifenblase. Piecek hatte für Osswald gearbeitet und war gleichzeitig in Zusammenhang mit dem Recyclinghof zu bringen. Ergab sich daraus auch eine Verbindung von Osswald zu der verbrannten Leiche?
Kristina grübelte darüber nach, bis sie die Straße erreichten, die ihr Sampo genannt hatte.
Das Haus lag exponiert, mit unverbaubarer Aussicht über die Stadt, und beherbergte vier Wohneinheiten. Unerschwinglich für ein Beamtengehalt. Wer sich hier oben eine Wohnung leisten konnte, gehörte ziemlich sicher zur
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