Die Kälte in dir (German Edition)
kühles Bier versprochen.
Er war neugierig, was passieren würde. Denn er war sich ziemlich sicher, dass sie ihn hergebracht hatte, um seine Geschichte zu hören.
Das angestrebte Ziel lag auf der Schwaneninsel, auf der ein Kulturzentrum mit hübschem Biergarten angesiedelt war. Schon auf der Brücke war zu erkennen, dass sie schwer einen freien Tisch finden würden.
Die Kommissarin stemmte die Hände in die Hüften und spähte über die Köpfe der zahllosen Biergartenbesucher hinweg.
»Wir holen uns was zu trinken und setzen uns runter an die Rems«, schlug sie vor.
Er nickte und folgte ihr ins Getümmel. Die Schlange beim Ausschank verlangte ein wenig Geduld. Daniel stellte sich hinter sie in die Reihe und betrachtete den geselligen Trubel.
Würde sie ihm vielleicht gestatten, sich an den Ermittlungen zu beteiligen, wenn er es schaffte, ihr Vertrauen zu gewinnen?
Ein Krug schob sich in sein Sichtfeld. Er nahm das Bier entgegen und folgte Reitmeier durch die Tischreihen hindurch, über den Radweg und die abschüssige Uferböschung hinunter. Dort gab es eine Zeile von Steinbänken, die sich flussabwärts bis knapp unter die Brücke erstreckte, welche die Rems überspannte und vor dem mittelalterlichen Beinsteiner Torturm endete. Der imposante Wachturm war zugleich ein von der Stadtbefestigung übrig gebliebener Durchlass in der Stadtmauer, durch den man von der Flussseite her in die Altstadt gelangte.
Zwischen ein paar Halbwüchsigen, die eine Wodkaflasche kreisen ließen, und einer weiteren Gruppe Jugendlicher, die rings um einen Gitarrenspieler mit Rastalocken hockten, fanden sie einen schattigen Platz. So nah am brackigen Wasser, das reglos im Flussbett stand, war das feuchte Dschungelklima noch gegenwärtiger. Die Lichtkaskaden der Abendsonne wurden von Mückenschwärmen durchzogen. Beinahe erwartete Daniel ein paar Krokodile, die, reglos im seichten Wasser treibend, auf Beute lauerten.
»Okay, der Biergarten war nicht die beste Idee«, gestand die Kommissarin und hielt ihm ihren Bierkrug zum Anstoßen entgegen. »Ich bin Kristina.«
Sie ließen die Krüge klirren, und er nahm einen tiefen Schluck des kalten Biers. Von oben lärmte der Biergartenbetrieb und vermischte sich mit dem Kindergeschrei, das vom Spielplatz herüberschallte. Zu allem Überfluss begann der Junge mit den Rastalocken, an seiner Gitarre zu zupfen. Die Mädchen in ihren knappen Trägertops, die um ihn herum im Gras lümmelten, verfielen nach wenigen Takten in helles Gekicher.
»Sollten wir nicht noch nach Stuttgart?«, fragte Daniel.
»Hatte ich geplant, aber ich muss erst einmal nachdenken.«
»Dann war das letzte Telefonat ergiebig?«
»Ja und nein. Aber deshalb sitzen wir nicht hier, Daniel.« Sie sah ihn aufmerksam an.
»Sondern um ein Bier zu trinken, ich weiß«, erwiderte er und prostete ihr zu, bevor er trank.
Damit rang er ihr ein Lächeln ab, doch es währte nur für einen Augenblick.
»Ich will von dir hören, was vorgefallen ist. Wie es zu deiner Beurlaubung kam. Keine Gerüchte, keine Mutmaßungen von Leuten, denen ich auf dem Gang begegne, sondern die Wahrheit aus deinem Mund«, sprach sie offen aus. »Ich will wissen, warum du mir zugeteilt worden bist. Und ob ich dir trauen kann. Offensichtlich ist es dir momentan nicht erlaubt, für deine Dienststelle zu arbeiten. Was hast du ausgefressen?«
Er konnte jetzt die Anklagepunkte aufzählen, die ihm vorgeworfen und zurzeit von der Internen Ermittlung geprüft wurden. Anschuldigungen, die sie vielleicht schon kannte und nun von ihm persönlich bestätigt haben wollte. Sie wusste ja auch von seinem Studienplatz an der Polizeiakademie, den er mit seinem undisziplinierten Verhalten ebenso in Gefahr brachte wie den Rest seiner Karriere im Staatsdienst. Würde sie ihn verurteilen, wenn sie die Fakten kannte? So wie viele seiner Kollegen es taten?
Auch wenn sie sein Vergehen missbilligte, bestand doch Hoffnung auf Verständnis, wenn er hier und jetzt ehrlich zu ihr war. Das jedoch würde bedeuten, über seinen innersten Schmerz zu sprechen, über Dinge, die er noch niemandem anvertraut hatte. Damit stand er vor der Entscheidung, ausgerechnet eine Frau einzuweihen, die im Prinzip eine Fremde für ihn war. Er war hin- und hergerissen, doch es würde keinen besseren Moment geben, um das Verhältnis mit seiner neuen Chefin zurechtzurücken. Jetzt, da das weiche Abendlicht, die abflauende Hitze, das kühle Bier und der Blick über den Fluss den perfekten Hintergrund bildeten,
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