Die Kälte in dir (German Edition)
dass er einer Versetzung innerhalb seiner Dienststelle in den Norden der Republik zugestimmt hatte.
Auch wenn er es nicht lange dort ausgehalten hatte. Sie wusste, dass er seit ein paar Wochen wieder zurück war. Sie hatte zufällig seine Schwester im Supermarkt getroffen, die sich dabei verplapperte. Kai wohnte jetzt in Ludwigsburg, keine zwanzig Kilometer entfernt. Das hatte Kristina recherchiert, ohne einen wirklichen Grund, gleichwohl ohne schlechtes Gewissen.
Vielleicht trifft er sich mit der Wuppermann?
Irgendeinen Anlass musste er doch haben, dass er sich nicht bei Kristina meldete und sie in dem Glauben ließ, er sei nach wie vor in Hamburg.
Allerdings hatten sie sich in den Monaten vor der Trennung nicht mehr viel zu sagen gehabt, wieso sollten sie also jetzt wieder damit anfangen? Selbst nach einem halben Jahr wussten sie immer noch nicht, wie sie das mit der gemeinsam erworbenen Wohnung regeln wollten. Abgesehen davon, dass Kristina die Raten jetzt allein bezahlte.
Da hockten Daniel und sie nun.
Zwei verletzte Seelen, die sich an ihren Bierkrügen festhalten.
Wie Daniel in diesem Moment neben ihr saß, mit hängenden Schultern und Melancholie in den jungenhaften Zügen, empfand sie Mitleid für ihn. Sie hatte den Verdacht, dass dieses Gefühl dem Bier und dem allzu romantischen Sonnenuntergang geschuldet war. Trotzdem verspürte sie den Wunsch, Trost zu spenden. Sie legte die Hand in seinen Nacken und strich ihm durchs Haar. Erst sah er sie verwundert an, dann schaffte er ein bittersüßes Lächeln.
7
Er war früh aufgewacht. Das Bett war schlecht, die Decke zu dünn. In aller Eile hatte er sein Zeug zusammengerafft. Viel war es ohnehin nicht mehr, und auch diesmal hatte er darüber nachgedacht, was er zurücklassen könnte, um noch mehr Ballast abzuwerfen. Doch dann besann er sich und packte alles ein. Er verließ die schäbige Unterkunft, die er schon am Vortag bezahlt hatte, und stieg in den Wagen. Es dauerte fast vier Minuten, bis heiße Luft aus dem Gebläse kam. Noch mal genauso lange brauchte die Heizung, bis es im Inneren des Wagens warm genug war, dass er sich imstande fühlte loszufahren.
In der Zwischenzeit aß er die drei angeschmolzenen Schokoriegel, die er noch in der Plastiktüte des Discounters fand. Er musste Nachschub besorgen. Aber noch war es zu früh. Nur der Bäcker auf der anderen Straßenseite hatte schon geöffnet, doch dort hinzugehen war zu riskant. In diesen kleinen Dorfläden fehlte die Anonymität.
Als er sicher war, das Zittern im Griff zu haben, fuhr er los. Der Sonne entgegen, die schon warm durch die Windschutzscheibe fiel.
Es barg ein gewisses Risiko, mit dem Wagen unterwegs zu sein, auch wenn er die Nummernschilder ausgetauscht hatte. Es blieb ihm jedoch keine Wahl. Er vollführte eine Gratwanderung. Sein Blick fiel auf die Zeitung neben ihm auf dem Beifahrersitz. Den Straßennamen hatte er an den Rand des Annoncenteils gekritzelt.
Auf der Bundesstraße reihte er sich in den Morgenverkehr ein. Er fuhr unauffällig, passte sich dem Fluss der Blechschlange an. Noch bestand keine Eile. Im Radio gab es keine Neuigkeiten. Er dachte an gestern. Wie alles gekommen war. Wieder hatte ihn der Zufall gelenkt.
Ein Wink des Schicksals?
Ein Wink, dem er bereitwillig folgte, jetzt, da es kein Zurück mehr gab.
Es war vollbracht.
Der Entwurf seiner neuen Wirklichkeit war fertig. Er wusste nicht, ob er richtig kalkuliert hatte, ob die Statik stimmte. Es gab keinen Probelauf, kein Modell, das ihm hätte verraten können, wo Nachbesserung erforderlich war. Die Polizei hatte begonnen, seinen Spuren zu folgen. In dieser Hinsicht funktionierte der Plan.
Einen Moment lang, während er den Blinker setzte, um den Lastwagen vor ihm zu überholen, hegte er eine gewisse Sympathie für die Frau, die genau wie er ihrer Wut erlegen war. Wut gepaart mit Verzweiflung war manchmal effektiv. Doch diese Mischung machte auch ungestüm und verschleierte den Verstand. In diesen Momenten war man nichts weiter als ein Tier, das aufrecht lief.
Er hatte gelernt, das Tier an der Kette zu halten. Hatte gelernt, dass neben der Wut eine weitaus präzisere Waffe existierte: Hass. Davon besaß er ein ganz besonderes Exemplar. Rasiermesserscharf geschliffen von der Kälte in seinem Inneren. Gereift wie ein guter Wein. Er nahm sich Zeit für seine Rache. Es gab nur noch diesen einen Weg, und er tat alles dafür, um ans Ende zu gelangen.
Erschrocken stellte er fest, dass er schon auf Höhe der Ausfahrt
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