Die Kälte in dir (German Edition)
um ein Geständnis abzulegen.
»Meine Abteilung ermittelte gegen den Stuttgarter Kopf der Russenmafia«, begann er, ohne den Blick vom Wasser zu nehmen, in dem sich die gegenüberliegende Häuserzeile spiegelte. »Kirill Worobjow, der Spatz.«
»Ziemlich einschüchternder Spitzname«, kommentierte Kristina lächelnd, wurde aber sofort wieder ernst und sah ihn aufmunternd an. »Ich habe von ihm gehört.«
Daniel nickte und fuhr fort: »Es ging wie üblich in diesen Fällen um schweren Betrug, Erpressung, Nötigung, Prostitution, Drogen, das volle Programm eben. Alles, außer Müll, wie du hörst«, warf er ein, doch diesmal schmunzelte sie nicht. »Die Operation hatte bereits eine lange Vorlaufphase, lief schon über zwei Jahre, bevor ich dazustieß. Monate vorher war es gelungen, jemanden in die Organisation einzuschleusen. Der Undercover-Mann schaffte es in den inneren Kreis und gewann das Vertrauen von Worobjow. Dadurch konnte eine Menge belastendes Material gegen die Drahtzieher gesammelt werden, aber es fehlten quasi die letzten hieb- und stichfesten Beweise, um auch den Spatz für Jahre in den Knast zu bringen. Versteh mich bitte nicht falsch, ich war nur ein kleines Rädchen im Ermittlungsapparat und nie im Außeneinsatz. Ich sichtete das Material, das reinkam, wertete aus, checkte Kontobewegungen, Lieferrouten, E-Mails, alles, was so anfiel.« Daniel trank seinen Krug leer.
Es lag nicht an dem heißen Sommerabend, dass sein Mund trotzdem trocken blieb.
»Na ja, ich war so ein bisschen neugierig, wo und unter welchen Umständen die Kollegen draußen agierten. Aus den Akten kannte ich die Clubs und Bars, in denen Worobjows Leute angeblich für Sicherheit sorgten. Selbstverständlich nur, solange die Besitzer und Pächter diese vermeintliche Sicherheit für teures Geld einkauften. Ich begann, in meiner Freizeit durch diese Etablissements zu streunen. Ich weiß nicht, was mich geritten hat. Vielleicht der Adrenalinkick. In einem der Clubs lernte ich sie dann kennen. Es war einfach ein Flirt, so wie es halt gelegentlich passiert. Wir sahen uns, lächelten, tranken zusammen was an der Bar, tanzten, quatschten, tauschten unsere Telefonnummern aus. Das war’s … fürs Erste.« Er räusperte sich. »Zwei Tage später rief ich sie an. Welcher Mann hätte das nicht getan? Ich war sogar stolz auf mich, dass ich es schaffte, achtundvierzig Stunden damit zu warten. Was soll ich sagen, sie konnte sich an mich erinnern. Wir verabredeten uns. Es lief alles so selbstverständlich ab. Sie war bezaubernd. Unkompliziert. Für mich war sehr schnell klar, dass da mehr daraus werden konnte. Und die Gefühle waren nicht nur einseitig. Auch wenn das naiv klingt, ich bin mir diesbezüglich sicher. Immer noch! Ja, sie war Russin, das wusste ich seit unserer ersten Begegnung. Aber wie hoch ist der Anteil der russischsprachigen Bevölkerungsgruppe in Deutschland?«
»Ich habe keine Ahnung«, gestand die Kommissarin.
»Rund eine halbe Million. Ungeachtet dessen, verliebte ich mich ausgerechnet in die Tochter von Kirill Worobjow.«
Seine Worte nötigten auch Kristina dazu, ihr Bier zu leeren. Sie bot an, Nachschub zu holen, und er willigte dankbar ein. Über Darja zu reden, brachte das Brennen in seinem Herzen zurück. Erinnerte ihn schmerzlich an das immer noch vorhandene Loch in seiner Seele, das nur so unendlich langsam wieder zuwuchs. Das ihn quälte und viel zu oft um den Schlaf brachte.
»Wie ging es weiter?«, fragte Kristina, nachdem sie zurückgekommen war.
»Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass sie den Nachnamen ihrer Mutter trägt, weshalb ich erst mal keine Verbindung zum russischen Paten herstellen konnte. Zwar wusste ich aus den Ermittlungsakten, dass der Spatz eine Tochter hatte, aber in seiner Korrespondenz sprach er stets von einer Dascha. Eine Koseform von Darja, aber bis mir das einleuchtete, war es schon um mich geschehen. Ich halte daran fest, dass unsere Begegnung Zufall war. Davon bin ich nach wie vor überzeugt, genau wie von ihren Gefühlen mir gegenüber. Das konnte selbst Worobjow nicht planen. Es gab für mich keinen Grund, ihr zu verschweigen, dass ich Polizist bin. Falls es ein Problem für sie gewesen ist, hat sie es sich jedenfalls niemals anmerken lassen. Sie wusste natürlich, dass gegen ihren Vater ermittelt wurde, aber ich denke nicht, dass sie zu Anfang unserer Beziehung einen Zusammenhang herstellte. Trotzdem, und obwohl ich nie über meine Arbeit sprach, musste ihr früher als mir
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