Die Kälte in dir (German Edition)
darum, in der Kantine nach ihm zu suchen, und setzte sich hinter ihren Bildschirm. Sonja blieb vor dem Schreibtisch stehen. Sie sah mitgenommen aus.
Genau wie ich mich fühle
, dachte Kristina.
»Ich habe noch was für dich«, begann Sonja. »Beim Abgleichen von Osswalds Liste bin ich auf einen Namen gestoßen, der indirekt in den Ermittlungen auftaucht. Die Attpoes hat 1991 ein Unternehmen in Leipzig zerschlagen, in dem ein gewisser Siegmar Rima beschäftigt war.«
»Wer ist das?«, fragte Kristina.
»Der Vater von Doreen Mezger.«
Daniel war nicht aufgetaucht. Er ging auch nicht ans Handy. Der Dienstwagen, den sie ihm anvertraut hatte, stand nicht in der Tiefgarage.
Kristina fühlte eine Mischung aus Ärger, Enttäuschung und Sorge. Er war ein Heißsporn, und niemand wusste genau, ob ihm seine Verstrickung mit der Russenmafia nicht noch mehr Ärger einbringen würde. Aber jetzt hatte sie keine Zeit, nach ihm zu suchen. Der Polizeipsychologe hatte sich angekündigt, um mit ihr am Täterprofil zu arbeiten.
Außerdem musste sie sich überlegen, was sie den Reportern sagen würde, falls Retter oder der Pressesprecher ihr das Wort erteilen würden. Albrecht Holle hatte solche Termine gehasst und dabei auch nie ein glückliches Händchen im Umgang mit den Vertretern der Presse bewiesen. Sie konnte sich an mehrere Konferenzen erinnern, bei denen der Hauptkommissar auf Konfrontation mit den Journalisten gegangen war und nicht nur einmal mit hochrotem Kopf den Saal verlassen hatte. Irgendwie schien diese Aversion auf sie abgefärbt zu haben.
Sonja und Ralf hatten sich bereit erklärt, die Mutter von Carola Walz über deren Tod zu benachrichtigen und die Habseligkeiten der Ermordeten zu durchsuchen. Es gab eine Verbindung zwischen Carola Walz und Egon Osswald, ebenso eine von Osswald zu Schwarz. Der Manager war der gemeinsame Nenner. Das erste Opfer.
Ermordet von seinem Gärtner Jakub Piecek?
Wo lagen die Schnittpunkte zu den beiden anderen Ermordeten, wenn es tatsächlich Piecek gewesen war? Im Gegensatz zu Doreen Mezgers Vater und Torsten Walz, Carolas verstorbenem Ehemann, tauchte Pieceks Name nicht auf Osswalds Liste auf. Und wenn Carola Walz sterben musste, um sie von einem Gespräch mit der Polizei abzuhalten, musste Piecek sie ebenfalls gekannt haben.
Worin lagen Pieceks Motive, diese Menschen zu ermorden? Von Osswald und Schwarz war Geld zu holen, nicht jedoch von Walz. Oder doch? Kristina dachte an den Schlüssel.
»Sie wirken ratlos.«
Sie sah von den Akten auf. »Dr. Eisner!«
Der Polizeipsychologe Martin Eisner schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. Er war ein großer, schlanker Mann jenseits der fünfzig, mit einem Faible für ausgefallene Brillen. Diesmal wartete er mit einem dunkelroten, eckigen Modell auf seiner knolligen Nase auf. Seine grauen Haare sahen wie immer unfrisiert aus.
»Dann helfen Sie mir weiter!«, forderte sie ihn auf.
Eisner setzte sich auf Werners Platz und schlug sein in schwarzes Leder gebundenes Notizbuch auf. »Sie haben drei Tote, zweien wurde Fettgewebe herausgeschnitten, einer wurde verbrannt. Haben Sie hierzu schon weitere Details aus der Pathologie?«
»Bislang keine eindeutigen Ergebnisse bezüglich einer Unterleibsverstümmelung. Das Feuer hat nicht viel übrig gelassen.«
»Doch Sie vermuten einen Zusammenhang.«
Kristina nickte. »Jakub Piecek war für Osswald tätig und wurde gleichzeitig mit Mülldiebstählen auf dem Recyclinghof in Verbindung gebracht. Wir wissen nur noch nicht, ob er auch in der Nacht auf Freitag dort war, in der Bruno Schwarz verbrannte.«
Der Psychologe machte sich eine Notiz. »Ich schlage vor, ich konzentriere mich bei meiner Analyse auf das offensichtlich Ungewöhnliche an dieser Mordserie: den Drang, den Opfern Fett zu entnehmen. Es sieht wie ein symbolischer Akt aus, zumal Osswald und Walz stark übergewichtig waren.«
»Hass auf Dicke, sexuelle Perversion, haben wir es mit einem Psychopathen zu tun?«
Eisner kratze sich mit dem Stift hinter dem Ohr. »Wenn es immer so einfach wäre. Ein Psychopath manipuliert, ist wie ein Raubtier, ohne menschliche Gefühle. Die Verstümmelungen können aber auch auf das Gegenteil hindeuten, auf eine Person, die von Emotionen zerfressen wird. Ich arbeite das Täterprofil so schnell es geht für Sie aus«, versprach er.
»Können Sie wenigstens schon eine Prognose dazu abgeben, ob wir nach einem Mann oder einer Frau suchen?«
»Nichts ist gewiss, aber ich würde anhand der vorliegenden
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