Die Kälte in dir (German Edition)
verstehen, weil es ohnehin nichts schönzureden gab.
Aufmerksam verfolgte sie seine Reaktion. Er brauchte zwei Wimpernschläge, um zu seiner Souveränität zurückzufinden.
»Schrecklich, so etwas zu hören.«
Der Bambuswald in seinem Rücken folgte dem Spiel des Windes.
Oder ein Tiger schleicht durchs Unterholz.
»Was wollte Carola Walz … Wie sagt man bei Ihnen … gemacht haben?«
Bennour strich sich über den Bart. »Sie litt an ihrem Übergewicht. Oberschenkel, Hüfte, Bauch, Gesäß. Die bekannten Problemzonen.«
»Und Sie konnten ihr diesbezüglich Mut machen?«
Der Schönheitschirurg rutschte an den Rand des Sessels und faltete seine Wunderhände zwischen den Knien. Damit trennte ihn kein halber Meter mehr von Kristina. Sie widerstand dem Drang zurückzuweichen.
»Nein, nicht wirklich«, gestand er ein.
»Geht es etwas genauer?«
»Wissen Sie, Frau Kommissarin, Operationen, wie wir sie anbieten, sind immer auch ein Auffangbecken für die Seele der Patientin. Deshalb sind wir bemüht, unser Möglichstes zu tun, um den Wünschen jener gerecht zu werden, die uns um Hilfe bitten. Daher ist es besonders wichtig, die Grenzen zu kennen und zu erkennen. Vor allem, wenn ersichtlich wird, dass eine Person von der Sucht getrieben wird, ihr Aussehen ständig zu verschönern, um ein Ideal zu erlangen, das unerreichbar bleibt. Deshalb knüpfen wir strenge Bedingungen an eine Behandlung. Die Schönheit liegt, wie wir doch alle wissen, grundsätzlich im Auge des Betrachters.«
Kristina konnte nicht umhin, seine Aussage zu belächeln.
»Ihrer Reaktion entnehme ich, dass Sie mir nicht glauben«, interpretierte er ihr Grinsen, ohne beleidigt zu wirken. »Ich gestehe, wir sind auch angetreten, um Geld zu verdienen, aber nicht um jeden Preis.«
Geld war ein gutes Stichwort. »Carola Walz’ Lebenssituation lässt sich aus meiner Sicht schwer mit einer Schönheitsoperation in Einklang bringen«, führte sie an.
»Sie wirkte auf mich zwar etwas unbeholfen, aber keineswegs so, als wären die Kosten ein Problem für sie. Nein, ich bin mir sogar sicher, dass sie selbst im Voraus bezahlt hätte, so sehr wie sie sich nach Veränderung sehnte.«
»Was meinen Sie mit unbeholfen?«
»Im Umgang mit Geld. Es war nur so ein Gefühl, aber ich denke, dass sie unerwartet zu einem Vermögen gekommen ist. Natürlich kann ich mich da auch täuschen«, ruderte der Schönheitschirurg zurück.
Kristina nahm diesen Gedanken auf. Wieder kam ihr der Schließfachschlüssel in den Sinn, zu dem sie immer noch kein passendes Schloss gefunden hatten. Hatte Carola Walz Geld versteckt? Genug, um eine Schönheitsoperation zu bezahlen? Wenn ja, woher stammte dieses Vermögen?
»Ich fasse zusammen: Obwohl sie sich eine Operation offensichtlich leisten konnte, haben Sie Frau Walz unverrichteter Dinge wieder weggeschickt, weil Sie der Meinung waren, dass die Frau … Wie soll ich es ausdrücken … seelisch nicht in der Verfassung war, Ihr Werk zu würdigen«, zog sie ihr Resümee. »Ich verstehe Ihre Beurteilung so, dass Sie Frau Walz für zu labil hielten. Dass sie sich das Fett, das Sie ihr abgesaugt hätten, gewissermaßen innerhalb kurzer Zeit wieder auf die Hüften geladen hätte. Eigentlich die ideale Kundin für Sie, finden Sie nicht? Gebucht auf ein Dauerabo.«
Bennour wich zurück. Hatte sie ihn nun doch noch bei seiner Chirurgenehre gepackt?
»Ich erlaube mir, Ihre letzte Bemerkung zu ignorieren. Was jedoch die Wiederanhäufung von Fettzellen angeht, könnte man das drastisch so ausdrücken. Soweit ich mich erinnere, kam bei Frau Walz neben der psychischen Instabilität auch eine Störung der oxidativen Verstoffwechselung hinzu.«
»Was heißt das?«
»Ihr Körper verarbeitete und verbrannte Lipide nicht in dem Maß, wie es für eine effektive Zerlegung und Verdauung nötig wäre. Die Folge ist eine übermäßige Fettanlagerung, die sich auch nachhaltig auf den Energiestoffwechsel auswirkt. Neben der unverhältnismäßigen Gewichtszunahme kommt es dadurch zu überhöhter Trägheit und Müdigkeit. Ein Teufelskreis gewissermaßen, da daraus mangelnde Motivation zu Bewegung resultiert«, erklärte der Arzt.
Kristina konnte nicht einschätzen, ob Bennour aus medizinischer Verantwortung oder aus moralischen Gründen eine Fettabsaugung verweigert hatte. Es spielte letztlich keine Rolle. Carola Walz hatte ihr Schönheitsideal in diesem Leben nicht erreichen können, und Kristina musste herausfinden warum.
»Wie sind Sie nach dieser
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