Die Kälte in dir (German Edition)
Grads der Verwesung lässt sich, gemessen am Aufschlagwinkel des Beils, nur unter Vorbehalt sagen, dass der Täter kleiner war als das Opfer. Oder er hat die Axt kurz gehalten, aber das wäre eher ungewöhnlich. Osswalds Haus weist keine Einbruchsspuren auf. Es gibt keine unmittelbaren Zeugen. Leider wurde es bisher versäumt, ein exaktes Bewegungsprofil des Opfers in den Tagen vor seiner Ermordung zu erstellen.« Decher musterte Kristina kurz und abschätzend, bevor er fortfuhr. »Bruno Schwarz, Architekt, verbrennt am 25. Juli in einem Container auf dem Waiblinger Wertstoffhof. Nach der Begutachtung durch die Rechtsmedizin ist festzustellen, dass der Mann vorher massive Kopfverletzungen erlitten hat. Wir können davon ausgehen, dass das Verbrennen des Opfers der Vernichtung von Spuren diente und die Identität des Mannes verschleiern sollte. Warum, ist noch nicht ersichtlich. Entscheidend ist, dass zwischen Schwarz und Osswald eine Verbindung besteht.« Der SoKo-Leiter kritzelte einen Doppelpfeil zwischen die beiden Fotos. »Schwarz war laut Aussage von Osswalds Tochter mit selbiger liiert. Das Ganze liegt zwei Dekaden zurück. Es gibt keine Belege, dass die beiden Männer seither Kontakt hatten.«
Kristina wurde bei dieser Feststellung erneut gemustert.
Sie musste sich beherrschen, um nicht aufzuspringen und den Raum zu verlassen. Doch sie wusste in derselben Sekunde, dass sie es nicht tun würde. Sie wollte, dass dieses Morden aufhörte. Darum blieb sie. Dafür war sie zur Polizei gegangen. Aus Überzeugung. Um Unrecht zu bekämpfen und andere zu schützen. An vorderster Front. Diesem Einsatz gehörte ihr Herzblut, und wenn sie ein Leben retten konnte, lohnte es sich auch, diese Schmach zu ertragen, der sie im Moment ausgesetzt war.
Decher fuhr inzwischen fort, über das zu reden, was in Osswalds Keller gefunden worden war. Die neuen Kollegen, die noch nicht darüber Bescheid gewusst hatten, wechselten kopfschüttelnd fragende Blicke.
»Zurück zu Bruno Schwarz. Wir wissen, dass der Architekt am Vorabend seiner Ermordung auf einer Vernissage in der Galerie Stihl war. Mehr ist über seinen Verbleib in den Tagen vor seinem Tod nicht bekannt. Auch nicht, was seinen letzten Abend betrifft. Laut Zeugen war er allein dort, niemand hat beobachtet, ob er die Ausstellungseröffnung in Begleitung einer anderen Person verlassen hat. Wo ist er in dieser Nacht seinem Mörder begegnet? Wie konnte dieser den Architekten über den Sicherheitszaun des Wertstoffhofs und in den Kartonagencontainer befördern?«
Decher zeichnete schwungvoll ein Fragezeichen unter Schwarz’ Foto auf der Tafel. Der Punkt, den er hämmernd darunter setzte, war ein weiterer Messerstich in Kristinas Brust. Ja, sie wusste selbst, dass noch viel zu viele Fragen offen waren. Aber sie waren zuletzt nur zu dritt gewesen und quasi täglich mit einer weiteren Leiche bedient worden.
»Carola Walz«, fuhr der Hauptkommissar fort, »sollte am 27. Juli einer Vorladung auf dem Präsidium nachgehen. Sie ist mit dem Zug nach Waiblingen gefahren. Die aufgeweichte Fahrkarte wurde in ihrer Hosentasche gefunden. Leider kam sie nie im Kommissariat an. Stattdessen fischte man sie zwei Tage später aus der Rems. Definitiv wurde sie bereits am Samstag ermordet, wenn ich den vorläufigen Bericht der Rechtsmedizin zitieren darf. Genau wie bei Schwarz konnte auch hier noch keine Tatwaffe sichergestellt werden. Was hat sie bewogen, nicht direkt zur Polizei zu gehen? Laut der Uhrzeit auf dem Zugticket hatte sie eigentlich keinen Puffer, um noch einen Spaziergang zwischenzuschieben.«
Auch Carola Walz bekam einen Verbindungspfeil zu Egon Osswald.
»Das, meine Damen und Herren, sind die Fakten. Es gibt bislang einen Hauptverdächtigen. Den polnischstämmigen Jakub Piecek, der sich um Egon Osswalds Grünanlagen kümmerte. Irgendwie fällt es mir schwer, auszusprechen, dass es der Gärtner war.«
Dafür erntete er ein paar zaghafte Lacher von den Neuen. Während der leidigen Pressekonferenz war vorsichtig erwähnt worden, dass man nach einem Tatverdächtigen fahndete, allerdings ohne konkret zu werden.
»Piecek ist polizeilich nicht erfasst und aktuell zur Fahndung ausgeschrieben. Mutmaßungen deuten darauf hin, dass er als Hehler fungiert und illegal Waren verschiebt. Seine Ehefrau verweigert die Aussage, was ihr gutes Recht ist, uns aber nicht weiterhilft. Leider kann sonst niemand was Genaues dazu sagen. Ein Manko, das sich durch die komplette Ermittlung
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