Die Kälte in dir (German Edition)
War Ihre Theorie nicht, dass unser Täter sie aufgrund der Fettleibigkeit ausgewählt hat?«
Sie konnte diese Feststellung nicht leugnen. Es hing auch damit zusammen. Der Täter wollte das Körperfett seiner Opfer. So betrachtet verband er das Leidige mit dem Notwendigen. Er weidete all jene aus, die nach seinem Empfinden ohnehin sterben mussten.
»Oder wollen Sie mich mit dieser Mutmaßung nur besänftigen?«, hakte der SoKo-Leiter nach.
»Das habe ich nicht nötig, Herr Decher. Außerdem habe ich nie gegen Sie gearbeitet. Ich bin dieser einen Spur gefolgt, weil ich die Vermutung hegte, dass Sie von Ihnen vernachlässigt wurde.«
Der LKA -Ermittler wandte sich ihr zu und verzog die Lippen zu einem Lächeln, das die Augen nicht erreichte. »Sie hätten mich fragen können.«
»Um Erlaubnis bitten, trifft es wohl eher!«
»Wenn Sie es so formulieren möchten, bitte schön. Letztlich haben Sie sich einer Dienstanweisung widersetzt«, hielt er ihr vor.
Sie ersparte sich, ihn darauf hinzuweisen, dass er ihre eigenwilligen Recherchen nicht genehmigt hätte.
»Ich entscheide, ob es Sinn hat, eine Spur zu verfolgen oder nicht. Dafür wurde ich von oberster Stelle herbeordert. Um zu koordinieren und die geringe personelle Stärke am effektivsten einzusetzen, um einen Serientäter zu stellen. Sie sind nach wie vor das Zahnrad in diesem Getriebe, das in die falsche Richtung läuft. Sind Sie auch nur irgendeiner meiner Anweisungen nachgegangen, seit ich hier bin?«
»Louise Osswald steigt morgen in ein Flugzeug«, sagte Kristina, »um Ihre Defizite im Persönlichkeitsprofil des ermordeten Vaters zu beheben, Herr Hauptkommissar.«
In der Glasfassade gleißte die nachmittägliche Sonne. Um Daniel herum herrschte buntes Treiben. Die Leute trotzten der Hitze. Im langen Schatten des gläsernen Kubus saß er auf der breiten Treppe des Museums, die einen Blick über den Schlossplatz mit den Baumreihen und Rasensegmenten und den beiden großen Springbrunnen bescherte, in die die Leute in Massen ihre Füße hängten, um ersehnte Abkühlung zu erlangen. Im Zentrum der geometrisch angelegten Parkflächen ragte die Jubiläumssäule mit der Göttin Concordia auf der Spitze dreißig Meter hoch in den stahlblauen Himmel. Dahinter erstreckte sich über die volle Breite des Platzes das neue Schloss, das auch bei den hohen Temperaturen nicht von Schüssen aus den Digitalkameras der Touristen verschont blieb.
Kristina hatte ihn hierher bestellt. Sie hatte aufgeregt geklungen, wollte ihm aber nicht verraten, was geschehen war, seit sie ihn aus der Waschküche des vierten Opfers fortgeschickt hatte.
Kaum zu glauben, dass das erst am Morgen gewesen war, dachte er und knüpfte gedanklich an seinen Besuch bei den Russen an. Sollte Achterberg wirklich etwas mit dem Spatz zu schaffen haben, würde der Oligarch mit ziemlicher Sicherheit noch ein paar Fragen an Daniel haben.
Er fragte sich, ob man Darja vor den Bildschirm geholt hatte, der ihr das Kamerabild aus dem Café übermittelte. Ob sie Daniel mit derselben Wehmut auf diesem Sofa hatte sitzen sehen, die er empfunden hatte?
Daniel sah Kristina vor dem Eingang des Museums auftauchen und verließ seinen Platz auf der Freitreppe. Sie sah besser aus. Der Schock des frühen Vormittags war einer wilden Entschlossenheit gewichen.
»Bist du wieder ausgerissen?«, fragte er amüsiert.
»Ich hab Freigang bekommen«, erklärte sie und betrat vor ihm das weitläufige Foyer des Kunstmuseums.
Sie ließ die Kasse links liegen und steuerte aufs Treppenhaus zu. Dann hielt sie auf die Garderobe zu und bog in einen breiten Gang ab. Auf der rechten Seite war über fünf Meter eine Batterie Schließfächer in die graue Wand eingelassen. Die Spinde waren nicht groß genug, um eine Leiche darin zu deponieren. Einen Kopf vielleicht, mehr aber auch nicht.
Seine Überlegung bescherte ihm ein Frösteln. Diese Mordserie veränderte ihn, ohne dass er sagen konnte, in welche Richtung. Er bekam erstmals ein Gespür dafür, welches Grauen ihn erwartete, wenn er sein Psychologiestudium abgeschlossen hatte und wie geplant als Profiler arbeiten würde. Es gab diese Psychopathen wirklich, über die in seinen Lehrbüchern geschrieben stand.
Kristina zog einen Schlüssel aus der Tasche und fand das passende Schloss. Vorsichtig öffnete sie die quadratische Stahltür. Er hielt den Atem an.
Eine braune, schlichte Handtasche kam zum Vorschein. Die Rote Zora streifte Latex über ihre schlanken Finger und zog sie
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