Die Kälte in dir (German Edition)
Schmerzhafteste an der ganzen Situation. Daniel würde das Sofa nie wieder mit Darja teilen, ging jedoch davon aus, dass sich früher oder später jemand zu ihm gesellen würde. Selbstredend würde man ihn erst eine ganze Weile warten lassen. Beobachten, wie lange er durchhielt, um die Ernsthaftigkeit seines Auftauchens auszuloten. Oder er lag komplett daneben, und niemand scherte sich mehr einen Dreck um ihn.
Immer wieder ging sein Blick zu der Stelle über der Bar, an der die Kamera versteckt war. Ein modernes Ding, das ein gestochen scharfes Bild des gesamten Gastraums übermittelte. Er hatte sich einst selbst davon überzeugen dürfen. Sich selbst in einem der aufgezeichneten Videos betrachten müssen, in dem er unbedarft und leidenschaftlich die Tochter des Spatzes küsste, während seine rechte Hand zwischen ihren Oberschenkeln steckte, zu weit unter ihrem Rocksaum, als dass die Aufzeichnung als jungendfrei durchgegangen wäre.
Daniel verbot sich darüber nachzudenken, welches eindeutige Bildmaterial von ihm noch auf einem von Worobjows Rechnern gespeichert war.
Er fragte sich, ob sein in Mitleidenschaft gezogenes Gesicht sie weich werden ließ. Aber das war nur einer von tausend Wünschen, die er den langen Tag über und vor allem in den schlaflosen Nächten herbeisehnte. An Erfüllung war nicht zu denken. Auch heute nicht.
Nach etwa zwei Stunden tauchte allerdings ein breitschultriger Kerl auf, den Daniel vom Sehen her kannte. Trotz der Hitze trug er ein Sakko, unter dem sich gut eine Knarre verstecken ließ. Der Hüne war Darjas Aufpasser.
Selbst nachdem Daniel damals erfahren hatte, welchen Kreisen seine russische Freundin angehörte, hatte er noch eine Weile gebraucht, bis ihm die groß gewachsenen Typen aufgefallen waren, die sich stets bewusst unauffällig in Darjas Nähe aufhielten. Anfangs war er zu blind vor Liebe gewesen, später wurde offensichtlich, dass die Männer von Beginn an ein Auge auf die Turteltäubchen gehabt hatten.
Der Mann wechselte ein paar Sätze mit dem Keller an der Bar, ohne ein einziges Mal zu Daniel herüberzusehen. Er trank in aller Seelenruhe einen Kaffee, was Daniel noch nervöser machte. Er hatte den ersten Zug gemacht, nun war sein Gegner dran, und es gab bei diesem Spiel kein zeitliches Limit.
Es vergingen weitere zehn Minuten, bis der Russe die Muße fand, sich zu Daniels Tisch zu begeben. Der Muskelprotz setzte sich ihm gegenüber und musterte Daniel mit starrer Miene. Aus der Nähe wurde sein wahres Alter sichtbar. Der gestählte, durchtrainierte Körper mochte darüber hinwegtäuschen, aber die Falten in seinem Gesicht verrieten, dass er schon über vierzig war. Ein ehemaliger Soldat der russischen Armee, der jetzt als Söldner unter dem Spatzen wahrscheinlich das Zehnfache seines damaligen Solds einstrich.
»Wir haben in der Aufregung wohl vergessen, dir Hausverbot zu erteilen«, sagte er in diesem typischen Akzent, den Daniel so oft vernommen hatte, während er mit Darja zusammen gewesen war.
»Ich bin nicht ihretwegen hier, ich brauche nur eine Information«, erklärte Daniel und versuchte, möglichst unbeeindruckt zu klingen.
Der Mann grinste. »Sehen wir aus wie die Auskunft?«
»Ihr lasst einen Mann beschatten, und ich muss wissen, warum«, sagte Daniel, ohne auf die Anspielung einzugehen.
»Du bist nicht einmal mehr bei den Bullen, hört man«, erwiderte der Söldner.
»Dadurch kommst du nicht in die Verlegenheit, mit der Polizei gesprochen zu haben«, konterte er. »Und ich verlange auch nicht, dass du mir die Information lieferst. Ich weiß, dass du keinen Furz lassen darfst, ohne deinen Boss zu fragen. Richte dem Spatz aus, er kann mich persönlich anrufen.«
Der Russe behielt die gelassene Fassade bei, aber sein Tonfall wurde frostig. »Mein Junge, ich könnte dich mit einer schnellen Handbewegung töten. Dir dein Nasenbein ins Gehirn treiben, ohne dass dir bewusst wird, wie plötzlich es mit dir vorbei ist. Gut möglich, deine Hand rührt weiter in dieser Kaffeetasse, während du schon mit dem Teufel um deine Seele feilschst.« Er warf einen schnellen Blick in die Runde. »Niemandem hier drin wird die Unannehmlichkeit auffallen, bevor Juri deine Leiche von diesem Sofa geräumt hat. Man wird sich erst in drei, vier Tagen über den toten, fauligen Körper wundern, der im Neckar treibt. Nenn mir einen Grund, warum ich nicht auf diese Weise mit dir verfahren sollte?«
Daniel wusste, dass es genauso ablaufen könnte, und doch schaffte er es, wie
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