Die Kaempferin
mich, und ich rollte mich zur Seite, um nach dem Dolch unter meinem Kissen zu greifen und Trost in seiner Berührung zu suchen. Meine Hand schloss sich um den Griff …
Und ich erstarrte.
Durch die Tür meines Zimmers hörte ich streitende Stimmen, zu gedämpft, um die Worte verstehen zu können.
Mit dem Dolch in der Hand glitt ich aus dem Bett und bewegte mich durch die nächtlichen Schatten auf die Tür zu. Als ich am Fenster vorbeikam, brüllte jemand. Eine Gänsehaut überlief mich.
Dann ging das Gebrüll in Gelächter über und verhallte.
Ich stieß einen leisen Fluch aus. Es war der dritte Tag des Volksfests, und die Bürger Venittes feierten sogar in tiefster Nacht.
Und immer noch fehlte jede Spur von Haqtl und den Chorl.
Ich rückte weiter vor, schlich durch den offenen Zugang zum äußeren Empfangsraum, bahnte mir den Weg vorbei an den Tischen und Stühlen und gelangte zu den Außentüren. Mit angehaltenem Atem kauerte ich mich hin und lauschte.
Keven. Er stritt mit Alonse.
Seufzend stand ich auf und öffnete die Tür.
Keiner der beiden Männer zuckte zusammen, doch beide wirbelten herum. Ihre gezischte Unterhaltung, die in gedämpftes Geschrei auszuarten drohte, verstummte jäh. Kevens Hand ruhte auf dem Griff seines Schwertes. Die Knöchel traten weiß hervor. Zwei weitere Gardisten standen zu beiden Seiten der Tür.
Ich blinzelte im grellen Kerzenlicht des Gangs, spürte Kevens Abscheu und Alonses Erregung.
»Was ist los?«, fragte ich scharf.
Alonse zuckte bei meinem Tonfall zusammen; dann verneigte er sich. »Regentin, das Protektorat …«
Er verstummte, und ich verengte die Augen zu Schlitzen. Ich hatte Alonse noch nie so aufgewühlt gesehen.
»Was ist, Alonse?«
Er richtete sich auf, und mit äußerster Mühe gelang es ihm, sich zu beruhigen. Doch als er weitersprach, zitterte seine Stimme noch immer. »General Daeriun ersucht umgehend um Eure Aufwartung. Das Protektorat hat etwas gefunden.«
»Ich wollte Euch nicht wecken«, ergriff Keven das Wort, »aber dem General scheint es sehr wichtig zu sein.«
Ich sah die Anspannung in Alonses Gesicht. Sein ganzer Körper schien zu beben.
»Also gut«, sagte ich und blickte zu Keven. »Stell eine Eskorte zusammen.«
Als Alonse seufzte, während die Anspannung von ihm abfiel, senkte er den Kopf und murmelte ein Gebet, das ich nicht hören konnte. »Rasch«, fügte ich hinzu.
Mit dunklen, eindringlichen Augen schaute Alonse zu mir auf. »Ich habe bereits eine Kutsche gerufen.«
Zehn Minuten später trat ich aus dem Haus, wie üblich in ein weißes Hemd und eine braune Hose gekleidet, den Dolch in Griffweite.
»Ich habe versucht, ihn dazu zu bewegen, hierzubleiben«, sagte Keven, als er mir den Verschlag der Kutsche aufhielt.
Ich runzelte die Stirn, stellte den Fuß auf die erste Stufe der Einstiegstreppe und wollte gerade fragen, wen er meinte. Dann hielt ich inne.
Alonse saß auf dem Sitz der Kutsche, die Augen geweitet, die Züge starr. »Ich muss Euch begleiten«, sagte er in gebieterischem Tonfall. Dann schien er sich seines Ranges als Verwalter zu besinnen. »Bitte, Ihr müsst mich mitkommen lassen.«
Plötzliche Unruhe erfasste mich. Irgendwo schrie ein Feiernderauf. Es war ein seltsamer Laut – teils Gelächter, teils Entsetzen –, der sogleich von unverhofft erklingender Musik übertönt wurde.
»Na schön«, brummte ich, stieg ein und ließ mich auf dem Sitz neben ihm nieder.
Keven tauschte einen Blick mit mir, als er mir folgte. Zwei weitere Gardisten Amenkors schlossen sich uns an.
Dann setzte sich die Kutsche in Bewegung und rollte durch das Tor hinaus auf die Straßen Venittes. Wir fuhren an einer Gruppe Betrunkener vorbei, die mit Flaschen in den Händen durch die Dunkelheit torkelten. Ein einsamer Feiernder drehte den Kopf, als die Kutsche an ihm vorbeiraste. Der spitze Schnabel seiner Maske wirkte erschreckend, und über den Augen sprossen Federbüschel hervor.
»Weißt du, worum es geht?«, wollte Keven von Alonse wissen. Obwohl er in unverbindlichem Tonfall sprach, versteifte sich Alonse.
»Nein«, antwortete er, doch ich konnte die Lüge in seiner Stimme hören. »Ich weiß nur, dass ein Leichnam gefunden wurde.«
»Wo?«, fragte ich.
»In der Gosse«, antwortete er grimmig, die Stimme belegt vor Furcht.
Ich wandte mich ab.
Die Kutsche hielt auf die Ratskammern zu und gelangte durch Deranians Wall. Die Menge der Feiernden war im Händlerviertel besonders dicht; dann lichtete sie sich, als wir ins Herz der
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