Die Kaempferin
Macht richtete mir die Nackenhaare auf.
Beinahe hätte ich die Vorbereitungen abgebrochen.
Dann jedoch seufzte ich, drehte mich um und nahm meinen Platz ein. Alleryn stand zu meiner Linken, Silicia zu meiner Rechten. Ich schloss die Augen, benutzte die Sicht und fand die Fäden aller anderen wartend vor. Ich zog sie an mich, spürte das Lebensblut, das durch sie hindurchströmte, und fühlte es in mir pulsieren, heiß und flüssig und lebendig. Es füllte mich aus und schauderte durch meine Adern, als ich mich mit den anderen verband und sie dicht heranzog. Ich spürte, wie ihr Blut durch ihre Körper floss, wie ihre Macht sich mit der meinen verband, sie verdoppelte, verdreifachte …
Dann, als ihre Macht mich umströmte, öffnete ich die Leitungen zu den Thronen und nahm deren Festigkeit und Gewicht wahr.
Überall in der Kammer wurden die weißen Lichter trüb, deren Schein die Nischen erhellte. Der Eingang, der uns und das Wirken unserer Magie von der Außenwelt abriegelte, erzitterte kurz; dann hielt er stand und festigte sich. Ich hörte, wie einer der anderen scharf die Luft einsog.
»Bist du sicher, dass dies hier wie geplant verläuft?«, herrschte Liviann mich plötzlich an.
»Nein«, gestand ich, doch bevor sie etwas erwidern konnte, ließ ich die Macht frei, die ich aufgestaut hatte, entfesselte die Fäden, die uns alle verbanden … das Lebensblut, das durch das Gebilde strömte … die Sicht, die ich gebündelt hatte … das Feuer,das ich aus mir und aus dem Inneren aller Sieben herausgezogen hatte.
Schlagartig verdoppelte sich die Macht. Die Fäden spannten sich jäh und drohten zu zerreißen. Ich hörte Garus fluchen, hörte sein Knurren, als er jene Fäden stärkte, die der Verbindung mit ihm dienten. Ein Rückstoß von Kraft ließ den Boden erzittern und bebte durch meine Füße, doch ich hielt das Gebilde eisern fest. Schweiß perlte auf meiner Stirn, und meine Muskeln spannten sich angesichts des ungeheuren Drucks. Abermals erbebte der Boden, und immer noch ließ ich die Macht anschwellen: Wenn sie wirken sollte, musste sie eine Schwelle erreichen, einen bestimmten Punkt, und dort gehalten werden …
Ich japste, als die Fäden in meinem Griff zappelten, ausschlugen und um sich peitschten, als wären sie lebendig. Schmerzen schossen mir durch die Seite, brennend und heimtückisch. Ich streckte mich, sammelte weitere Fäden ein, versuchte, sie zu verschmelzen, sie zu bündeln. Atreus schrie auf; Silicia an meiner Seite begann zu keuchen.
Und immer noch steigerte sich die Macht. Schweiß rann mir übers Gesicht. Mein Atem wurde rau und ging stoßweise vor Anstrengung.
Aber wir waren nahe daran.
Ein Schmerz bildete sich in der Mitte meiner Stirn, heiß lodernd vor Heftigkeit. Er breitete sich rasend schnell über die Verbindungen aus und verstärkte sich, als ihn jeder der Sieben zu spüren bekam, zumal wir alle durch das Gebilde miteinander verschmolzen waren.
»Cerrin!«, schrie Liviann. »Brich es ab!«
»Ja«, brüllte Alleryn. Panik zerriss ihre Stimme. »Cerrin, halt inne!«
Ein weiterer stechender Schmerz, diesmal noch tiefer. Er bohrte sich in mein Innerstes, in meine Eingeweide, sengte sich durch mein Fleisch, durch meine Knochen. Meine Zähne schlugen aufeinander. Ich biss mir in die Zunge, und der Kupfergeschmackvon Blut erfüllte meinen Mund. Ich taumelte, sank auf ein Knie. Der glatte Obsidianboden sandte heiße Pein durch meinen Oberschenkel hinauf in mein Rückgrat.
Doch mit jedem Schmerz kam ein Augenblick völliger Klarheit.
Ich kann es abbrechen , dachte ich mit zusammengebissenen Zähnen und dem Kupfergeschmack von Blut im Mund. Ich konnte den von mir geschaffenen Strudel der Macht spüren, der mich, der uns alle umgab. Ich spürte jeden einzelnen Faden jener Kraft, die sich unaufhörlich steigerte, einem Ereignishorizont, einem Gipfelpunkt entgegen. Würde sie diesen Gipfel erreichen, wäre eine Umkehr nicht mehr möglich.
Aber wir hatten den Gipfel noch nicht erreicht.
Ich kann es sofort beenden. Ich kann die Fäden einfach loslassen.
Aber dann wird der Kummer nicht enden.
Olivia. Pallin.
Jaer.
Dann schrie Silicia auf.
Gleichzeitig erreichte jene unbändige Kraft, die uns flüssig und knisternd umströmte, ihren Höhepunkt … und überstieg ihn.
Ich sog scharf die Luft ein. Mein Blick huschte gerade noch rechtzeitig zu Silicia, um zu sehen, wie sie zu Boden sank. Die Fäden um sie wanden sich und funkten in ihrer schrecklichen und zugleich wunderbaren
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