Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
Vom Netzwerk:
Selbst ohne den Fluss hätte ich erkannt, dass er tot war. Dem Geruch nach zu urteilen, war er vor mindestens einem Tag gestorben.
    Stirnrunzelnd kniete ich mich neben ihn und schaute zu Daeriun. Der General stellte eine versteinerte Miene zur Schau.
    »Kennt Ihr ihn?«, fragte er.
    Ich wandte mich um, streckte die Hand aus, berührte den Mann an der Schulter und drehte ihn zu mir herum.
    Als Erstes hefteten sich meine Augen auf die Wunde. Er war zweimal in die Brust gestochen worden. Die Blutflecken auf seiner Kleidung waren noch feucht. Schiffskleidung. Ein weißes Hemd, eine maßgeschneiderte Jacke, deren Stickerei unter dem Blut kaum zu erkennen war. Mein Blick wanderte zum Gesicht des Mannes hinauf. Ich rechnete damit, Bullick oder ein Besatzungsmitglied der Trotzig zu sehen, als ich hörte, wie Keven und Alonse jäh nach Luft schnappten. Auch ich zuckte zurück.
    Doch es war nicht das Gesicht des Mannes, das mich erschreckte.
    Es waren die tiefen Schnitte auf seiner Stirn.
    Schnitte in der Gestalt des Geisterthrones.

V IERZEHNTES K APITEL
    J äh stand ich auf und drehte mich zu Daeriun um.
    »Die Sucher haben das nicht getan.« »Wer könnte es sonst gewesen sein?«, entgegnete der General. Sein Zorn fühlte sich im Fluss greifbar und bleiern an.
    Ich trat auf ihn zu, ließ ihn meine eigene Wut und Entrüstung spüren. Sowohl die Gardisten Amenkors als auch die Protektoren nahmen angesichts meiner plötzlichen Bewegung eine drohende Haltung ein. Daeriun hingegen rührte sich nicht.
    »Ich habe die Sucher nicht auf die Jagd geschickt«, zischte ich.
    »Das ist der zweite Leichnam, den wir heute Nacht mit in die Stirn geschnittenem Geisterthron gefunden haben. Erwartet Ihr etwa, dass ich Euch glaube?«
    »Ja!«, fauchte ich. »Ich habe die Sucher nicht auf die Jagd geschickt, Daeriun!«
    Er atmete heftig durch die Nase ein und hielt die Luft an, während er mein Gesicht musterte. Ich sah, dass er mir glauben wollte, dass er das Bedürfnis hatte, mir zu glauben. Deshalb hatte er mich hergeholt, statt mich einfach in Gewahrsam nehmen zu lassen – damit ich mich rechtfertigen konnte, bevor es sich herumsprach. Doch der Leichnam und seine Entdeckung waren noch zu frisch, der Geruch von Tod hing noch in der Luft. Er hatte noch nicht entschieden, ob er mir glauben würde.
    »Wisst Ihr, wer das ist?«, fragte er.
    Ich brauchte nicht erneut in das verstümmelte Gesicht des Mannes zu schauen. »Nein.«
    In höhnischem Tonfall gab Daeriun zurück: »Das ist der Kapitän der Sturmbö .«
    Ich zuckte zusammen und blickte wieder in das Gesicht des Mannes hinunter. Doch ich hatte die Besatzung der Sturmbö immer nur aus der Ferne beobachtet. »Das ist unmöglich. Westenhat mir berichtet, dass die Sturmbö den Hafen schon vor ein paar Tagen verlassen hat, mit dem Kapitän an Bord, und zwar in Richtung Süden, zu den Warawi-Inseln.«
    Daeriun grunzte verächtlich. »Das dürfte er wohl nicht schaffen.«
    Erneut fuhr ich zu ihm herum und musste an mich halten, um nicht den Dolch zu ziehen, um dessen Griff sich meine Hand so fest geschlossen hatte, dass die Knöchel weiß hervortraten. Ich fühlte mich, als würde ich angegriffen, doch es war niemand hier, gegen den ich kämpfen konnte. »Wer war der andere Mann?«
    Irgendetwas in Daeriuns Augen zuckte, ein Aufflackern von Zweifeln. Er schüttelte den Kopf, doch als er sprach, lag in seiner Stimme immer noch ein Hauch von Hohn. »Es war kein Mann, sondern ein Freudenmädchen vom Kai.«
    In meinem Magen brach plötzlich eine Grube voll bitterer Galle auf. Ich sank auf die Fersen zurück; mir war gar nicht bewusst gewesen, dass ich mich auf die Fußballen aufgerichtet hatte.
    Demasques Dirne … der Kapitän der Sturmbö …
    Demasque beseitigte Spuren.
    Und er warf mir die blutigen Leichen vor die Füße.
    Daeriun musste das Entsetzen in meinen Augen gesehen haben. Seine Züge verhärteten sich, und die Zweifel verflogen. »Wer war sie, Regentin?«, wollte er wissen. »Warum habt Ihr sie töten lassen?«
    »Das war ich nicht!«, spie ich ihm entgegen, doch selbst ich hörte den Anflug von Verzweiflung in meiner Stimme. Mit einem trockenen Schlucken rang ich sie zurück. Ich spürte, wie die Falle rings um mich zuschnappte. Die Gasse fühlte sich mit einem Mal kleiner, beengter an, und der Leichnam des Kapitäns war wie ein totes Gewicht auf meinen Schultern.
    Ich holte tief Luft und versuchte, meiner Stimme einen ruhigen, nüchternen Klang zu verleihen. »Demasque hat sie

Weitere Kostenlose Bücher