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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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Stadt gelangten. Doch wir hielten nicht bei den Ratskammern. Stattdessen fuhr die Kutsche an dem riesigen Kuppelgebäude und dem kleineren Palast dahinter vorbei, in dem Fürst March wohnte. Von dort setzte sie den Weg bergab in die Richtung fort, wo der Wall sich um die Innenstadt krümmte und sie von den Elendsvierteln abgrenzte.
    Wir blieben stehen, während die Tore auf unserer Seiteder Mauer geöffnet wurden. Dann rollten wir hindurch in die Gosse.
    Ich beugte mich zum Fenster vor und atmete die Luft ein, die in die Kutsche drang. Es roch nach Unrat und menschlichen Ausscheidungen, nach Verfall und Krankheit. Je weiter die Kutsche sich vom Wall entfernte und sich durch die Straßen tiefer in die Gosse schlängelte, desto durchdringender wurde der Gestank. Der Weg war zwar noch immer mit Stein gepflastert, doch er starrte vor Dreck. Auch die Gebäude zu beiden Seiten waren aus Stein, den jedoch Ruß und feuchtes Moos überzog. Eine geduckte Gestalt, die an der Mündung einer Gasse kauerte, warf uns einen flüchtigen Blick zu. In der klaffenden Leere eines Fensters zuckte etwas. Die jähen Bewegungen richteten mir die Nackenhaare auf … und stachelten das Feuer in meinem Innersten an. Die weißen Flammen erwachten zum Leben und flackerten warnend.
    Es war der Siel, nur anders. Hier gab es keine bröckelnden Lehmziegel, sondern verwitterten Granit an Gebäuden, die einst Bestandteil des Herzens dieser Stadt gewesen waren. Und im Unterschied zum Siel fehlte hier der allmähliche Übergang von der Innenstadt zu den Elendsvierteln, das langsame Versinken in Schmutz und Verfall. Der Wall durchschnitt die beiden Gebiete der Stadt wie ein Dolch, trennte Fürst March und die Mitglieder des Rates der Acht sauber vom Abschaum.
    Ich lehnte mich gegen die harte Oberfläche des Sitzes der Kutsche zurück. Die Fahrt wurde plötzlich holpriger, als das Gefährt über aufgebrochenes Pflaster rumpelte. Mir fiel auf, dass Alonse angewidert das Gesicht verzog und zugleich zurückhaltend lächelte.
    Ich wandte mich an Keven. »Das erinnert mich an zu Hause«, sagte ich.
    Er nickte bloß. Er wusste, dass ich den Siel meinte.
    Dann bremste die Kutsche und hielt unvermittelt an.
    Mitten in der Nacht stiegen wir hinaus in die schattige Düsterniseiner Straße in den Elendsvierteln. Hier erhellten keine Kerzen die Fenster mit warmem Licht, und an den Straßenecken brannten keine Laternen. Hier war alles schwarz und grau. Ohne nachzudenken, tauchte ich in den Fluss, atmete die vertrauten Gerüche ein, spürte die vertraute Gegenwart von Menschen, die in Winkeln und Schlupflöchern kauerten und uns beobachteten.
    Und ich spürte eine besondere Störung, die mir verriet, wo Daeriun und die anderen Protektoren warteten.
    Noch bevor alle Gardisten aus der Kutsche gestiegen waren, setzte ich mich in Bewegung und hörte Keven einen leisen Fluch ausstoßen. Alonse folgte mir so dichtauf, dass er beinahe über mich stolperte. Ich warf ihm einen wütenden Blick zu, den er nicht sehen konnte. Dabei bemerkte ich seine geweiteten Augen und seinen schnell gehenden Atem.
    Ich jagte den Protektoren einen ziemlichen Schreck ein, als ich geräuschlos aus den Schatten hinter ihnen hervortrat. Einer von ihnen stieß einen Befehl hervor. Seine Hand zuckte zu seinem Schwert. Die anderen handelten sofort und scharten sich am Ende der Gasse um Daeriun. Der General selbst zuckte mit keiner Wimper. Sein Blick begegnete fest dem meinen, und er wirkte alles andere als freundlich.
    »Ihr wolltet mich sehen«, sagte ich, als Keven und die Gardisten Amenkors sich nacheinander durch die Schmalstelle hinter mir zwängten und neben mich traten. Alonse blieb dicht bei mir und spähte mir über die Schulter.
    »Ja«, gab Daeriun zurück. »Ich wollte, dass Ihr Euch das hier anseht. Und es mir erklärt.«
    Er wies zum anderen Ende der Gasse.
    Ich trat vor und spannte die Schultern an, als ich mich um die Protektoren herumbewegte, deren Blicke hart und gefährlich wirkten. Das Feuer in mir züngelte hoch, und im Fluss spürte ich ihre Anspannung, ihr Misstrauen. Wäre ich noch der Abschaum von einst gewesen, hätte ich verächtlich reagiert, doch ich warkeine Streunerin mehr, ganz gleich, wie vertraut die Gosse mir erschien.
    Als ich an den Protektoren vorüber war, atmete ich auf. Ich ging zu der Stelle, auf die Daeriun gezeigt hatte, und erblickte den auf dem Boden liegenden Körper eines Mannes. Er lag auf der Seite, die Knie leicht angezogen, mit dem Rücken zu mir.

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