Die Kaempferin
ich sah die Antwort in seinen Augen.
Ich ließ ihn los und stieß ihn gegen Keven zurück. Er wankte, stürzte auf Hände und Knie in den Schmutz der Gasse und hustete heiser. Er hatte kaum noch genug Kraft in den Armen, um sich abzustützen.
Ich schritt unruhig auf und ab. Dabei dachte ich an Haqtl zurück, wie er im Thronsaal von Amenkor stand. Ich sah sein ruhiges Gesicht vor mir, als er beobachtete, wie ich die Ochea tötete, dachte an die Gier in seinen Augen, als er den Thron erblickte. Und ich erinnerte mich an seine kalte Besessenheit von dem Feuer in Erick nach dessen Gefangennahme auf der Jungfer , an die tiefe Freude, die es ihm bereitet hatte, Erick zu foltern, an das genüssliche Lächeln, mit dem er den vergifteten Stachel in Ericks Brust getrieben hatte.
Ich blickte Daeriun an. »Er ist hier in der Stadt. Wir müssen ihn finden.«
»Das haben wir schon versucht.«
»Ich weiß!«
Mir entfuhr ein wüster Fluch, und ich dachte an den Thron, an Sorrenti. Aber auch er hatte bereits versucht, Haqtl zu finden. Auch die Sucher kamen mir in den Sinn, doch sie hielten bereits nach ihm Ausschau, seit Fürst March sie aus der Gefangenschaft unserer Unterkunft entlassen hatte. Nun hatten die Sucher niemanden mehr, den sie beschatten konnten, da Demasque das Geflecht seiner Spitzel beseitigen ließ.
Aber er hatte noch nicht alle getötet …
Ich hielt inne und blickte auf Alonse.
Mittlerweile hatte er sich so weit erholt, dass es ihm gelungen war, sich auf die Fersen zurückzusetzen und die Hände zu heben, um sich die schmerzende Kehle zu reiben. Als er meinen Blick bemerkte, zuckte er zusammen.
»Wo versteckt sich Haqtl?«, fragte ich.
Alonse schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich habe mich immer nur mit Yvonne getroffen.«
Ich verengte die Augen zu Schlitzen. Im Fluss stellte ich fest, dass er die Wahrheit sagte. Er strahlte tiefe Niedergeschlagenheit aus. Die Strömungen rings um ihn schimmerten vor Angst, vor Schwäche, vor Reue.
»Und wo hast du dich mit Yvonne getroffen?«
»In der Nähe des Kais, auf der Nordseite. In einer Taverne in einer Nebenstraße.«
Ich packte Alonse am Arm und zerrte ihn auf die Beine. Er widersetzte sich nicht, wenngleich flüchtig Zorn in seinen Augen aufflackerte.
»Bring uns hin«, befahl ich.
Die Kutsche rollte unweit des Kais an den Rand einer mit Steinplatten gepflasterten Straße. Leichter Regen hatte eingesetzt, der Lichtkreise um die wenigen Laternen zauberte, die an Pfosten an den Straßenecken hingen und wegen des Volksfests noch brannten.
»Da ist es«, sagte Alonse und deutete auf ein Schild über der Tür der Taverne. Ein Sumpfvogel mit einem Fisch im länglichen Schnabel war daraufgemalt. »Die Wunschfang.«
Nachdem Keven ihn in die Kutsche gestoßen hatte, war es ihm gelungen, sich zu sammeln und einen Teil des Hochmuts wiederzuerlangen, den er zur Schau stellte, seit ich ihm zum ersten Mal auf den Stufen des Anwesens begegnet war, das zu unserem Gefängnis werden sollte. Die zurückkehrende Überheblichkeit war nur einmal ins Schwanken geraten, als wir anhielten, um Yvonnes Leichnam zu untersuchen. Keven hatte Alonse gezwungen, uns zu begleiten und sich den Körper anzusehen. So wie der Kapitän der Sturmbö war auch die Leiche des Freudenmädchens in einer Gasse zurückgelassen worden. Blut befleckte ihr Kleid, das an den Nähten aufgerissen war, sodass ihre Brüste hervorlugten. Ihr Kopf war in einem unnatürlichen Winkel verdreht. Als wir vor der Toten standen, während die zu ihrer Bewachung zurückgelassenen Protektoren schweigend ein Stück abseits verharrten, setzte der Regen ein. Das geronnene Blut auf ihrer Stirn, in die der Geisterthron geschnitten worden war, sickerte in ihr Haar.
Alonse konnte nicht hinsehen, wandte sich ab und schlug die Hände vor das Gesicht.
Mit einem Blick schickte ich Keven mit Alonse zurück zur Kutsche. Ich blieb noch kurz.
Daeriun hatte mich seltsam angeschaut, doch ich hatte ihm keine Beachtung geschenkt. Yvonne hatte etwas gehabt, das ich brauchte.
Nun, in der Kutsche vor der Taverne, starrte ich Alonse an, während ich das Grauen in seinem Inneren brodeln spürte. Erhatte keinen Fluchtversuch unternommen und auf dem Weg hierher kein Wort gesagt, sondern nur mit Brummlauten geantwortet.
Doch als er sich nun auf dem Sitz zurücklehnte und meinen Blick bemerkte, zuckte er zusammen.
»Wann hast du dich zuletzt mit Yvonne getroffen?«, wollte ich wissen.
Er schluckte. »Gestern.«
Ich wandte
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