Die Kaempferin
sich vom Fenster ab. »Seid Ihr sicher, dass die Chorl sich dort verstecken?«
»Nein, bin ich nicht«, gab ich gereizt zurück. Ich rieb mir die Augen und lehnte den Kopf gegen den Stuhl zurück. Erschöpfung umfing mich. Ich hatte fast die ganze Nacht damit verbracht, die Angelegenheit mit Daeriun und den Leichen zu regeln und anschließend Yvonnes Spur zu folgen.
Sorrenti schien nicht beleidigt über meinen barschen Tonfall. Stattdessen seufzte er und schaute erst zu Daeriun, der mir gegenüberstand, dann zu William, der auf dem Stuhl neben mir Platz genommen hatte, und schließlich zu Erick, der in der Nähe der Tür stand. Erick hatte Keven als meinen Leibwächter abgelöst, als wir zum Anwesen zurückgekehrt waren.
»Dann lasst mich mal sehen, ob ich es überprüfen kann«, sagte Sorrenti. Er ging zu einem freien Sitz, nahm darauf Platz und schloss die Augen.
Binnen eines Atemzugs wurde sein Körper starr. Sein Rücken versteifte sich, und die auf den Armlehnen des Stuhls ruhenden Hände umklammerten das Holz. Auf seinem Gesicht spiegelte sich Anstrengung, und seine Atmung verlangsamte sich, als würde er einschlafen, bis es schien, als atmete er überhaupt nicht mehr.
Stille senkte sich über den Raum. Niemand wagte sich zu rühren. Als offensichtlich wurde, dass Sorrenti nicht so bald zurückkehren würde, schauderte Daeriun und blickte zu mir.
»Was macht er?«
Ich sah ihm in die Augen und entdeckte Argwohn darin.
»Er benutzt den Thron«, erklärte ich. »Den Steinthron hier in Venitte. Er verwendet ihn, um hinter die Mauern von Fürstin Parmatis Anwesen zu blicken.«
Der General stieß einen Fluch aus, entfernte sich von mir und den anderen, trat ans Fenster und drehte sich zu uns herum. »Wenn so wenige Menschen von dem Thron wussten«, sagte er, »wie konnte Haqtl dann davon erfahren?«
Beinahe hätte ich mit den Schultern gezuckt, aber plötzlich lehnte William sich auf seinem Sitz vor. »Das kann ich Euch sagen. Ich habe mich gefragt, wie Haqtl – oder überhaupt irgendein Chorl – mit Demasque, Parmati oder anderen Ratsmitgliedern von Venitte in Verbindung treten konnte. Dann sah ich gestern, als ich mit Bullick am Kai Geschäfte machte und nach etwas suchte, das mich zu Haqtls Versteck führen könnte … Tarrence.«
Ich runzelte die Stirn. Irgendwie klang der Name vertraut …
Dann erstarrte ich. Wut stieg in mir auf, und ich rutschte auf meinem Sitz vor. »Händler Tarrence aus Marlett!«
William nickte. »Er hat sein Äußeres ein wenig verändert. Er hat sein Haar kurz geschnitten und trägt einen gestutzten Bart. Fast hätte ich ihn nicht erkannt.«
»Es scheint immer wieder auf Alendor und seine verfluchte Genossenschaft hinauszulaufen!«, stieß ich zornig hervor.
»Sogar nach seinem Tod«, sagte Erick von der Tür aus.
Daeriun trat vor. »Wer ist Tarrence? Und wer ist Alendor?«
»Das wisst Ihr nicht?«, fragte William verwirrt; dann jedoch seufzte er. »Natürlich wisst Ihr es nicht. Keiner der Boten, die wir ausgeschickt haben, nachdem Varis den Thron übernommen hatte, ist je nach Venitte gelangt. Und wir haben seit unserem Eintreffen unsere ganze Aufmerksamkeit auf die Bedrohung durch die Chorl gerichtet.«
Ich verzog das Gesicht. »Was bedeutet, dass die Händlergilde nicht, wie wir dachten, nach den Händlern gesucht hat, die der Genossenschaft angehörten.«
»Welche Genossenschaft?«, wollte General Daeriun mit angespannter Stimme wissen, die erkennen ließ, dass ihm die Geduld ausging.
Kurz starrte ich ihn an, wusste nicht recht, womit ich beginnen sollte. »Bevor ich den Thron übernahm, hat Alendor, ein Händler in Amenkor, eine Genossenschaft gebildet. Dieser Genossenschaft gehörten Händler aus Amenkor und verschiedenen Küstenstädten an. Tarrence war Verbindungsmann der Genossenschaft in Marlett. Diese Vereinigung wollte den gesamten Handel in Amenkor übernehmen, vermutlich sogar die Herrschaft über den Thron selbst, aber ich habe … eingegriffen.«
»Sie hat die Genossenschaft davon abgehalten, die restlichen Händler in Amenkor zu beseitigen«, warf Erick ein. Stolz schwang in seiner Stimme mit, obwohl er leise sprach. »Und dann hat sie den Thron gemeistert, sodass die Genossenschaft die zuvor herrschende Regentin, Eryn, und deren Wahnsinn nicht mehr dazu einsetzen konnten, ihr Tun zu verschleiern.«
»Aber?«, bohrte Daeriun nach.
Ich zwang mich, den Blick von Erick zu lösen.
»Aber«, sagte ich, »als ich den Thron übernommen hatte, waren
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