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Die Kaempferin

Die Kaempferin

Titel: Die Kaempferin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joshua Palmatier
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mich Keven zu. »Übergib ihn dem Protektorat. Wir sind fertig mit ihm.«
    Keven nickte. Als ich nach dem Verschlag der Kutsche griff und hinaus in den Regen stieg, wartete Daeriun bereits.
    »Wo ist Alonse?«
    »Wir brauchen ihn nicht«, erwiderte ich.
    Daeriun legte die Stirn in Falten. »Aber ich dachte, er würde uns führen.«
    Ich drehte mich weg. Ich war bereits in den Fluss getaucht und hatte die Witterung der Umgebung aufgenommen. Der Regen schmeckte wie Eisen und roch durchdringend, doch darunter nahm ich den Rest der Straße wahr. Den Kies auf dem Stein, den Rauch von den Laternen, den Schweiß Hunderter Menschen. Alten Schweiß und frischen Schweiß. Je tiefer ich tauchte, desto mehr Gerüche offenbarten sich mir.
    Ich wandte mich von Daeriun und seiner Verwirrung ab.
    Zwar war ich nicht mehr mit dem Geisterthron verbunden und hatte seine Macht, seine Kraft nicht mehr hinter mir, doch als ich noch am Siel gelebt hatte, hatte ich gelernt, wie man jemanden allein anhand seines Geruchs aufspüren konnte. Ich hatte diese Gabe eingesetzt, um Garrell Karren zu finden, und später erneut bei Alendors Sohn Cristoph.
    Und dann hatte ich beide getötet.
    Doch Garrell und Cristoph hatten noch gelebt, als ich ihnen nachgespürt hatte, und ihre Gerüche waren kräftig gewesen. Ich war nicht sicher, ob es mir gelingen würde, jemanden zu finden,der bereits tot war, zumal ich nicht wusste, wie lange sich Gerüche im Fluss hielten.
    Ich tauchte unter den Regen und den Rauch und spürte, wie der Fluss mich umspülte. Plötzlich nahm ich die ganze Straße wahr. Die Geruchsschichten glichen Tüchern: Die ältesten waren zwar noch vorhanden, aber ausgebleicht. Normalerweise konnte ich verschiedene Gerüche nicht voneinander unterscheiden und gab mir auch gar nicht erst die Mühe, es zu versuchen, sondern ließ sie alle zu einem einzigen Geruch verschmelzen, zu einem Gemisch all derer, die unlängst vorbeigekommen waren. Aber in diesem Fall suchte ich nicht willkürlich. Ich brauchte Yvonnes Geruch, den ich wahrgenommen hatte, als ich vor ihrem Leichnam kniete. Der Tod hatte diesen Geruch zwar verwässert, dennoch war er schwach vorhanden gewesen.
    Flieder und Weihrauch.
    Ich sog die Luft durch die Nase ein, schloss die Augen, filterte den Regen, den Rauch heraus … und fand, was ich suchte.
    Ich schlug die Augen auf und wies mit der Hand die Richtung. »Da entlang.«
    Tiefe Falten erschienen auf Daeriuns Stirn. »Woher wisst Ihr das?«
    »Ich kann sie riechen.«
    Daeriun schnaubte, als hielte er meine Bemerkung für einen Scherz, doch als er meine Miene sah, wurde er rasch nüchtern.
    »Sie hat die Taverne aus dieser Richtung betreten«, erklärte ich und deutete die Straße hinunter, »und als sie herauskam, ist sie nach Süden gegangen, in Richtung des Kais.«
    »Woher wollt Ihr das wissen?«
    »Ihr Geruch ist im Süden stärker, frischer. Im Norden verblasst er bereits.« Ich zögerte kurz; dann fügte ich mit Nachdruck hinzu: »Und zwar schnell.«
    Mit ernster Miene straffte der General die Schultern. Je länger er mir ins Gesicht blickte, desto unruhiger wurde sein eigener Geruch. Doch er begriff den Wink und erteilte den Protektoren,die aus seiner Kutsche gestiegen waren, noch immer verunsichert Befehle.
    Die Hälfte von ihnen schwärmte in die Taverne aus. Daeriun und die andere Hälfte wandten sich mir zu.
    »Geht voraus, Regentin.«
    Ich rannte los und hörte mehrere der Protektoren hinter mir fluchen, als sie versuchten, mit mir Schritt zu halten, doch ich schenkte ihnen keine Beachtung, sondern bündelte die Aufmerksamkeit auf den Geruch, diesen Schleier aus Flieder und Weihrauch, und folgte ihm die Straße hinunter in die Tiefen des nördlichen Kais. Hier standen die Gebäude näher beisammen; die Straßen wurden schmaler und stiegen an den Hängen der umliegenden Hügel zu den Gipfeln der Klippen des nördlichen Kanals an.
    Als der Geruch unverhofft in Richtung der Felswände schwenkte, hielt ich inne und zögerte.
    »Was ist?«, fragte Daeriun. Sein Atem ging stoßweise, doch im Gegensatz zu einigen der Protektoren wirkte er kaum erschöpft.
    »Ich dachte, der Geruch würde zurück zum Freudenhaus führen«, erwiderte ich und ließ den Blick durch die Querstraße schweifen, in der wir angehalten hatten. In einer Richtung führte sie hinunter zum Kai, in die andere einen steilen Hang hinauf. »Aber die Frau kam von den Klippen.«
    »Vielleicht hat sie Demasque besucht. Dort ist sein Anwesen.«
    Ich schüttelte

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