Die Känguru Chroniken
aber es ist ja so, dass es des Wesen gar nicht gibt, und deswegen ist des ja gar nich so schlimm‹«, fahre ich fort. »Bringt nix. Für Argumente sind die nicht zugänglich.«
»Die denken halt nicht«, sagt das Känguru. »Die glauben.«
»Genau«, sage ich, »so wie meine Schwester, die früher auf die Frage ›Was ist 10+2?‹ immer geantwortet hat: ›Ich glaube elfundzwanzig.‹ Des ist zwar total niedlich, aber, aber – halt falsch.«
»Der Unterschied is nur: Deine Schwester hat wahrscheinlich nie jemanden geköpft oder auf dem Scheiterhaufen verbrannt, der zu ihr gesagt hat: ›Elfundzwanzig gibt’s gar nicht‹«, sagt das Känguru.
»Nee. Da war die noch zu klein für«, sage ich.
Das Känguru nickt.
»Bin wirklich froh, dass die des nicht ausgestrahlt haben«, sage ich noch mal, um mir selbst meine Meinung zu bestätigen. »Drehen ja grad alle am Rad. Deswegen hätte bestimmt so ein religiöser Mob, in den Südstaaten der USA oder in Saudi-Arabien, deutsche Flaggen verbrannt.«
»Oder belgische«, sagt das Känguru.
»Was ich aber nicht verstehe, ist: Die sagen zwar, sie glauben an des Wesen, aber so richtig trauen sie der Sache dann doch nicht, weil, weißte, wenn jetzt zum Beispiel jemand dich beleidigt. Dann haue ich dem ja nicht dafür in die Fresse. Da petz ich dir des einfach und du kümmerst dich selber drum. Oder halt nicht.«
»Klar.«
»So wie damals. Als Fichte, der alte Atheist, vor der Kirche nach Berlin geflohen ist. Da hat der Bischof oder so an Friedrich den Großen geschrieben, er soll den wieder rausrücken, und selbiger Friedrich hat zurückgeschrieben: ›Wenn Gott ein Problem mit Fichte hat, soll Gott das mit ihm klären.‹ Das find ich ’ne lässige Einstellung.«
Das Känguru betrachtet enttäuscht die leere Pralinenpackung.
»Andererseits kann ich’s auch wieder nachvollziehen«, sage ich, »weil, weißte, wenn du mit so was aufgewachsen bist und denkst, des ist ein Teil von dir, und dann kommt jemand und greift des an, da fühlt man sich gleich selbst angegriffen. Bei mir ist des so mit Star Wars. Wenn du dann ankommstund über die neuen Episoden lästerst, dann kann ich des auf ’ner Vernunftebene vielleicht sogar noch nachvollziehen, bin aber trotzdem total pissig.«
»Aber wenn du aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen niemandem, der rachsüchtig ist, auf die Füße treten willst, dann kannst du irgendwann nur noch Witze über selbstironische, internationalistische Atheisten, die nicht zufällig Star-Wars-Fans sind, machen.«
»Kennste den?«, frage ich das Känguru. »Kommt ein Atheist zum Arzt. Sagt der Arzt: ›An Ihrer Stelle würde ich anfangen zu beten.‹ Sagt der Atheist: ›Ich bete nicht. Ich bin Atheist.‹«
Das Känguru blinzelt. »Nicht lustig«, sagt es.
Aus Opportunismus & Repression
Kapitel 13: »Apologetentreten«
… Gottfried Wilhelm Leibniz behauptete, da Gott allmächtig, allwissend und allgütig sei, müssen wir wohl in der besten aller möglichen Welten leben. Dass dies ja wohl der totale Schwachsinn ist, befand schon der alte Voltaire, und deswegen ist Leibniz in unserer Zeit hauptsächlich wegen seiner leckeren Butterkekse bekannt und weniger wegen seiner Philosophie …
Als ich nach Hause komme, werkelt das Känguru im Treppenhaus. Auf dem Boden steht ein Werkzeugkasten, in der Hand hält es Hammer und Meißel.
»Was machst’n da?«, frage ich, während ich verwundert beobachte, wie das Känguru ziemlich dilettantisch mit dem Werkzeug auf unser Türschloss eindrischt, welches schon arg ramponiert aussieht.
»Wieso haste nicht einfach den Schlüsseldienst angerufen?«
»Ich kann das alleine«, sagt das Känguru trotzig.
»Aber so wirst du das Schloss nie aufbekommen«, sage ich.
»Wenn ich es aufbekommen wollen würde, könnte ich doch einfach den Schlüssel benutzen«, sagt das Känguru, greift in seinen Beutel und hält mir einen Schlüssel vor die Nase.
»Ja … aha«, sage ich.
»Glaubst du ernsthaft, ich hab mich ausgeschlossen, aber statt des Schlüssels zufällig den Werkzeugkasten mitgenommen?«
»Na ja«, sage ich. »Wie auch immer. Jedenfalls dann weiterhin viel Erfolg bei was auch immer du da tust. Ich jedenfalls werde nun meinen Schlüssel benutzen, um die Tür aufzuschließen, und sehe dich dann später.«
»Ja. Ist gut«, sagt das Känguru und greift sich den Schlagbohrer aus dem Werkzeugkasten.
Drinnen lege ich mich ins Bett, kann aber erst mal nicht einschlafen, weil das Känguru so einen Krach
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