Die Känguru Chroniken
zwingt mich, diesen Antiraubkopierer-Spot anzukucken. Hier! Er erlaubt mir nicht vorzuspulen. Siehste das kleine Verbotsschild, das er einblendet?«
»Ja. Und?«
»Ich wiederhole noch mal die Fakten: Das Scheißgerät, das ich von meinem Geld gekauft habe, das in meiner Wohnung steht, das meinem Vergnügen dienen soll, besitzt die Unverfrorenheit, mir, mir , seinem Herrn und Meister, etwas zu verbieten! Es zwingt mich widerliche Industriepropaganda anzukucken.«
»Flippst du jetzt wieder so aus wie damals, als dein Notebook dir gesagt hat, du hättest nicht die nötigen Administrator-Rechte, um es auszuschalten?«, fragt das Känguru.
»Boah! Das hat mich wütend gemacht!«, schreie ich. »Ich glaube, ich war noch nie so wütend in meinem ganzen Leben!«
Ich hatte damals gleich den Stecker gezogen, um dasHerrschafts-Knechtschafts-Verhältnis 7 wieder geradezurücken. Allerdings schaltete das Gerät nur auf Akkubetrieb um. Und als ich den Akku herausgerissen hatte, musste ich feststellen, dass es noch einen internen Akku besitzt.
»Du hast das Gerät zwei Stunden lang aufs Wüsteste beschimpft, bis der interne Akku endlich aufgegeben hat«, sagt das Känguru.
»Ja. Ha! Welch ein Triumph«, rufe ich. »Einer der schönsten Momente meines Lebens.«
»Durch Internetpiraterie werden täglich Arbeitsplätze vernichtet. Wenn Sie wollen, dass es auch morgen noch Entertainmentprodukte gibt, bleiben Sie bei den Originalen aus legaler Quelle« , versucht mich mein DVD-Player derweil für dumm zu verkaufen.
»Wenn ich doch nur wüsste, dass ich durch das Downloaden von Filmen die Entertainmentbranche zerschlagen könnte«, sage ich. »Ich würde ziehen ohne Ende«, schreie ich.
»Melden Sie Raubkopierer der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen! GVU – In the frontline to protect copyright!«
»Liebe GVU«, sagt das Känguru mit Kinderstimme, »meine Mama hat gestern eine Kassette vom Radio aufgenommen. So sehr es mich schmerzt sie anzuzeigen, empfinde ich es als meine Bürgerpflicht der Unterhaltungsindustrie gegenüber, möchte ich doch auch in Zukunft noch die Schlümpfe sehen können.«
»Und dass neuerdings jedes Scheißgerät denkt, es dürfe sich die Zeit nehmen, erst hochzufahren!«, schreie ich.»Letztens hatte ich ein E-Piano, das erst drei Minuten booten musste.«
»Und die nächste Generation von E-Pianos wird dir verbieten, deine neuen Lieder zu spielen, wenn du sie nicht bei der GEMA registriert hast«, sagt das Känguru. »Aber denk einfach daran, dass das Leute sind, die mit dem Rücken zur Wand stehen.«
»Hä?«, frage ich.
»Pass auf«, sagt das Känguru. »Ich hab auch mal ein Gedicht gemacht. Es ist ein kleines Schadenfreude-Gedicht:
Die Studiobosse
Jetzt sitzen sie hier mit ihren Kippen und flennen,
weil alle nur noch rippen und brennen.«
»Schön wär’s«, sage ich während ich die Kabel aus dem Fernseher reiße.
»Was machst du da?«, fragt das Känguru.
»Ich schließe den Videorecorder wieder an«, sage ich. »Wenn ich eines aus ›Battlestar Galactica‹ gelernt habe, dann, äh, dass man, äh, nee. Hm.«
Ich denke nach.
»Was?«, fragt das Känguru.
»Hab doch nix gelernt«, sage ich.
Wir stehen am Hauptbahnhof. Das Känguru muss mal. Ich muss auch. Allerdings nicht aufs Klo, sondern nur davor warten. Nach einer Minute kommt das Känguru zurück.
»Ist dir klar, dass die meisten Krisentheorien des Kapitalismus, die den baldigen Zusammenbruch vorhersagen, daran kranken, dass sie unterschätzen, wie viele einst wertfreie Bereiche des gesellschaftlichen Zusammenlebens noch der kapitalistischen Verwertungskette anheimfallen können, um solchermaßen die Krisentendenzen durch eine quasi erneute ursprüngliche Akkumulation abzuschwächen?«, fragt das Känguru.
Ich seufze.
»Brauchste Geld fürs Klo?«, frage ich.
»Ich sehe, wir verstehen uns.«
Wir rattern gemütlich in einem alten Zug über die deutschösterreichische Grenze zurück nach Hause. Ich hatte einen Auftritt in Wien. Das Känguru hat mich begleitet, weil es so auf Schnitzel steht.
Plötzlich wird unsere Abteiltür recht unwirsch aufgerissen.
»Polizeikontrolle! Zeigen Sie mal Ihre Ausweise«, verlangt ein Mann mit stark alpinem Akzent.
»Zeigen Sie doch mal Ihren Ausweis!«, sagt das Känguru und legt seine Mau-Mau-Karten zur Seite. »Kann ja jeder hier durch den Zug laufen, unfreundlich sein und behaupten, er sei Polizist. Dabei ist Unfreundlichkeit anscheinend eine notwendige, aber
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