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Die Känguru Chroniken

Die Känguru Chroniken

Titel: Die Känguru Chroniken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Uwe Kling
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soll die Schnauze halten! Schlage mit der Faust auf die Motorhaube. Hat nicht den gewünschten, sondern einen gegenteiligen Effekt.

    15:45
    Neununddreißigster erfolgloser Anruf beim Känguru. Die apokalyptischen Reiter sind wahre Frohnaturen verglichen mit mir. Schreie den Musikanten an: »Es heißt nicht ›ain’t got no cash, ain’t got no smile‹ – es heißt ›style‹. Style. Verstehst du? Keinen Stil! So wie du! Spiel doch mal was anderes! Was Passendes: Zum Beispiel ›Should I stay or should I go now?‹«

    15:46
    Es fängt an zu nieseln. Den Nächsten, der mich fragt, ob er mir helfen kann, erwürge ich. Ich werde jetzt gehen. Aber vorher werde ich noch dieses heulende Auto kaputtschlagen! Ich hole mit dem Pflasterstein aus. Mein Handy klingelt. »Kein Grund, sich so aufzuregen. Jeder kommt doch mal zu spät.« Ich halte inne. »Kein Grund, sich so aufzuregen. Jeder …«
    Diese verfluchten kritischen Klingeltöne. Missmutig nehme ich das Gespräch an.
    »Bist du schon da?«, fragt das Känguru.
    »Nein«, sage ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich bin noch gar nicht losgegangen.«
    »Witzig«, sagt das Känguru. »Ich auch nicht.«
    »NATÜRLICH BIN ICH SCHON DA! ICH WARTE SEIT EINER EWIGKEIT AUF DICH!«, schreie ich.
    »Ich geh sofort demnächst bald gleich los«, sagt das Känguru. »Bis denn. Halbe Stunde. Vierzig Minuten. So was.«
    Dann legt es auf. Es donnert, blitzt und fängt an zu schütten wie im Regenwald.
    »Here’s a little song I wrote. You might want to sing it note for note.«
    Böse blicke ich zu dem Hippie, der sein Instrument fallen lässt und davonrennt. Ich werfe ihm den Pflasterstein hinterher. »DON’T WORRY, BE HAPPY!«, schreie ich und stelle mit seiner Gitarre das Cover von »London Calling« nach. Er wollte The Clash ja nicht spielen. Dann mach ich das halt.

»Das kennt es auch wieder nicht!«, sage ich. »Relevanz. Kennt mein Handy nicht.«
    »Skandal«, sagt das Känguru.
    »Nee. Skandal geht. Du kannst auch problemlos ›Kuwihebekerz? Duwipa! Widumihei? Hdgdl. Guk‹ 6 schreiben, aber Worte von Relevanz …«
    »Wie Relevanz«, sagt das Känguru.
    Meine Gedanken machen eine Pause. Das Känguru wartet kurz, dann sagt es: »Geht nicht.«
    »Nee. Geht nicht«, sage ich. »Muss man ohne Schreibhilfe verfassen.«
    »Und welches Thema könnte wohl so relevant sein, dass man in einer SMS Worte wie Relevanz benutzen möchte?«
    »Ich führe mit einem Typ, den ich in der U-Bahn kennengelernt habe, einen Diskurs über den freien Willen im Hinblick auf die neuesten Neuroforschungen.«
    »Per SMS?«, fragt das Känguru.
    »Das ist gar nicht so schlecht«, sage ich und tippe weiter. »Man ist gezwungen, sich kurzzufassen und hat schön lang Zeit, sich eine Antwort zu überlegen. Arrrg …«
    Wütend stampfe ich mit dem Fuß auf den Boden.
    »Auch weil man dem doofen Gerät jedes zweite Wort buchstabieren muss«, fluche ich. »Kognitiv! Kennt es nicht.«
    »Was willst du denn schreiben?«, fragt das Känguru.
    »Dass die kognitiven Leistungen von großer Relevanz für die Dialektik sind.«
    »Ersetz die Fachbegriffe doch einfach durch normale Worte.«
    »Das ist aber schwierig. Okay. Kognitiv mit denkend, Relevanz ist auch klar. Aber wie soll ich denn ein Wort wie Dialektik, das alles und nichts bedeuten kann, in verständliches Deutsch übersetzen?«
    »Lass es einfach weg«, sagt das Känguru. »Dialektik ist meines Erachtens eh nur eine philosophische Luftblase.«
    Ich tippe.
    »Was haste jetzt geschrieben?«
    »›Denken ist wichtig‹«, sage ich. »Das klingt doch total banal.«
    »Aber es ist im Prinzip das, was du sagen wolltest, oder nicht?«
    »Ja«, sage ich und staune. »Wahnsinn. Hegel hat ja angeblich auf seinem Totenbett geklagt, dass sein Werk nur zwei Menschen verstanden hätten und einer davon nicht richtig. Dabei könnte man wahrscheinlich die Essenz des Hegel’schen Gesamtwerkes in eine SMS packen.«
    Das Känguru dichtet:
    »Ich, Hegel, bin der Weltgeist, bin sehr schlau
    nur warum … Das versteht keiner so genau.«
    »Sehr gut!«, sage ich und tippe des Kängurus Gedicht in mein Handy.
    »Entschuldigen Sie bitte«, sagt der Mann im Kinosessel vor uns. »Könnten Sie nicht wenigstens die Tastentöne ausmachen?«

»So eine Frechheit!«, schreie ich.
    »Ruhig Blut«, sagt das Känguru.
    »Ruhig Blut?«, frage ich. »Ruhig Blut?«, schreie ich. »Ich hasse es, wenn mir Geräte etwas verbieten!«
    »Was ist denn los?«
    »Dieser bekackte DVD-Player

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