Die Känguru Chroniken
oder Käsestullen mangelt, sondern nur wegen Hirngespinsten.«
»Ja, aber wenn man deinen Vorschlag in die Tat umsetzt, dann würde, glaub ich, das ganze Weltwirtschaftssystem zusammenbrechen«, sage ich.
»Umso besser«, sagt das Känguru. »Taugt eh nix.«
Das Känguru hatte angeboten, mich zu meinem Auftritt in einem Dorf irgendwo in Brandenburg zu fahren. Dass wir dafür zuerst mal ein Auto mieten müssen, hat es ziemlich spät erwähnt. Es hat meine Kreditkarte genommen, und nun sitzen wir im dicksten Geländewagen, den es auftreiben konnte. Das Känguru macht hinter dem Steuer einen sehr angestrengten Eindruck und hat nun schon zum dritten Mal abrupt die Straße verlassen, oder sagen wir lieber die Matschtrasse, von der das Känguru behauptete, sie sei eine Abkürzung zur Autobahn.
»Was ist denn los?«, frage ich das Känguru.
»Ich kann nicht Auto fahren«, sagt es.
»Was?«, frage ich.
»Ich habe meine Führerscheinprüfung abgebrochen, weil ich rechts vor links nicht akzeptieren wollte.«
»Wie?«
»Warum rechts vor links? Warum nicht links vor rechts? Sogar in Australien gibt’s links vor rechts und das Heimatland meiner Vorfahren kann sich sonst nicht gerade einer sehr fortschrittlichen Politik rühmen.«
»Was?«
»Da muss man doch mal drüber reden.«
»Wie?«
»Ich meine, wenn wir eins aus der Frauenbewegunggelernt haben, dann ist es doch, dass sich Unterdrückungs muster schon in der Sprache manifestieren.«
»Was?«
»Liebe LeserInnen«, sagt das Känguru mit großem I.
»Wie?«
»Hast du’n Hänger?«, fragt das Känguru, während es mit immer größerer Geschwindigkeit über die Moto-Cross-Piste heizt. »Soll ich dir mal auf den Hinterkopf hauen?«
»Was?«
Das Känguru haut mir auf den Hinterkopf.
»Ey!«, sage ich.
»Dekonstruktivismus«, sagt das Känguru.
»Kenn ich«, sage ich.
»Na also. Rechts vor links. Das ist ein reaktionärkonservatives Unterdrückungsmuster, manifestiert in der StVO.«
»Was?«
»Ich mein: Warum rechts vor links? Warum nicht links vor rechts? Warum?«
»Weiß nicht«, sage ich.
»Das hat mein Fahrlehrer auch gesagt. Das konnte ich so nicht akzeptieren. Da bin ich trotzdem als Erster gefahren.«
»Konsequent«, sage ich.
»Ich meine, warum heißt es recht haben und nicht link haben?«
»Hm«, sage ich.
»Warum ist ein rechtes Ding positiv konnotiert und ein linkes Ding negativ?«
»Hm.«
»Warum spricht ein Richter nicht Link?«
»Hm.«
»Wahrscheinlich weil er ein rechter Sack ist«, sagt das Känguru und bekommt gerade noch so die Kurve.
»Möglich«, sage ich. »Trotzdem will ich jetzt fahren.«
»Grüß Gott«, sagt das Känguru.
»Ja sicher«, sage ich. »Wenn ich das nächste Mal dem unglaublichen Hulk begegne – im Phantasiereich.«
»Glaubste nich mehr an Gott und Jesus und so?«, fragt das Känguru.
»Nee«, sage ich. »Jesus ist für mich gestorben.«
»Nicht nur für dich«, sagt das Känguru. »Für uns alle. Für uns arme Sünder.«
»Seit wann bist du denn gläubig?«, frage ich. »Ich dachte, du glaubst nur an drei Mahlzeiten pro Tag und ’nen leckeren Nachtisch.«
»Seit gestern«, sagt das Känguru. »Ich hatte einen besonders miesen Tag – ich erspare dir die Details – aber plötzlich, im Wartesaal des Bürgerbüros, hatte ich eine Erleuchtung.«
»Wer ist dir erschienen?«, frage ich. »Simon der Stempler?«
»Quatsch. Keine Vision. Eine Erleuchtung. Ich hab was kapiert. Ich dachte immer, es kann unmöglich einen Gott geben, bei all dem Übel in der Welt … Aber vielleicht gibt es die ganzen Übel ja gerade, weil es einen Gott gibt. Ja. Vielleicht, vielleicht nämlich ist Gott einfach nur kein besonders netter Typ. Es könnte doch sein, dass Gott gar kein DJ ist, sondern ein Arschloch«, sagt das Känguru.
»Wahrscheinlich ist er sogar beides«, sage ich. »Ein DJ, derauf einem Kindergeburtstag die ganze Zeit nur Rammstein spielt.«
»Exactemento«, sagt das Känguru. »Du kennst doch bestimmt den Spruch, dass Gott die Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen hat. Kuck dich mal um! Wenn man davon ausgeht, dass Gott ein Arschloch ist, ergibt das plötzlich mächtig viel Sinn.«
»Allerdings«, sage ich grübelnd.
»Oder nimm die Klimakatastrophe«, sagt das Känguru. »Den armen Ländern drohen Dürre, Überschwemmungen, Tod und Verderben, und uns Verursacher erwartet: besseres Wetter. Zufall? Nein. Ein schlechter Witz eines ganz und gar verdorbenen Schöpfers. Haste die Bibel gelesen?«
»Na
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