Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Känguru Chroniken

Die Känguru Chroniken

Titel: Die Känguru Chroniken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Uwe Kling
Vom Netzwerk:
Derrida und Deleuze. Haben Sie bei der Konzeption auch Lacan herangezogen?«
    »Sicher, sicher«, sagt das Känguru. »Kant, Nietzsche, Wittgenstein. Der ganze Gesangsverein.«
    »Aufhören«, murmle ich. »Ruhe. Woanders.«
    »Dann müssen wir nur noch den Transport …«
    »Ich schwimme in einem klaren See. Ich schwi…«

    Ich wache auf. Ich habe furchtbar unruhig geschlafen. Endlich ist Ruhe. Endlich ist es dunkel.
    »Ich gehe durch das grüne Gras …«
    Türen werden geöffnet. Getrampel. Stühle rücken. Tuscheln.
    »Psst«, sage ich.
    Gespannte Ruhe. Irgendwo geht Licht an.
    »Meine Damen und Herren, liebe Kunstfreunde«, sagt das Känguru. »Ich präsentiere Ihnen: Den modernen Menschen!«
    Jemand hustet.
    »Schnauze!«, schreie ich. »Haltet doch einfach alle mal die Schnauze!«

Wir haben uns auf einem Friedhof verlaufen, weil das Känguru meinte, eine Abkürzung zu kennen. Plötzlich bleibt das Beuteltier stehen. Es hat das Grab von Werner von Siemens entdeckt.
    »Hör mal, Werner«, sage ich. »Ich hab da Probleme mit einem eurer Wasserkocher. Der schaltet sich immer gleich wieder ab, wenn ich ihn anschalte. Kann ich dir den mal vorbeibringen?«
    »Und von meinem Handy funktioniert das Display nur noch ab und zu«, sagt das Känguru. »Kann ich dir das gerade mal dalassen?«
    Es kramt in seinem Beutel, fischt ein altes Siemens-Handy heraus und legt es vorsichtig neben den Grabstein. Als wir am nächsten Tag wiederkommen, um auch den Wasserkocher abzugeben, ist Werners letzte Ruhestätte schon komplett unter Elektroschrott begraben.
    »Auweia«, sagt das Känguru. »Das könnte länger dauern.«
    Ich lege den Wasserkocher auf den Haufen.
    »Wenn da jetzt der Blitz einschlagen würde, dann würde bestimmt so ein Cyborg-Zombie entstehen«, mutmaßt das Känguru.
    »Ja, aber einer, der immer gleich wieder ausgeht, wenn man ihn anschaltet«, sage ich.
    »Und nur ab und zu kann man auf dem Display erkennen,was er von einem will«, sagt das Känguru. »Aber sonst würde er laufen wie geschmiert .«
    Ich nicke.
    »SIEMENS – läuft wie geschmiert«, sagt das Känguru. »Wär doch ein guter Slogan.«
    Ich nicke.
    »Wegen dem ganzen Schmiergeld. Verstehste?«
    »Ich hab’s schon beim ersten Mal kapiert«, sage ich.
    »Wäre witzig, wenn jetzt noch jemand kommt und den Transrapid hier ablegt«, sagt das Känguru.
    Es donnert.
    »Findet Werner, glaub ich, nicht so lustig«, sage ich.
    Ein Blitz schlägt mitten im Metallhaufen vor uns ein.
    »Ich glaube, da bewegt sich was«, sagt das Känguru.
    »Zeit zu gehen«, sage ich.
    »Sieht aus wie der Shredder«, sagt das Känguru.
    »Der von den Schildkröten?«
    »Ja«, sagt das Känguru. »Weißt du, wenn ich jemals ein Kind bekomme, möchte ich es genau so nennen.«
    »Shredder?«, frage ich.
    »Nein. Der Shredder«, sagt das Känguru.
    »Ein gut gewählter Name«, sage ich. »Für dein Kind bestimmt sehr passend.«
    Der Cyborg-Zombie hat sich mittlerweile vollständig aus dem Schrotthaufen erhoben. Er dreht seinen Wasserkocherkopf in unsere Richtung und klappert bedrohlich mit dem Deckel.
    »Lass mal lieber abhauen«, sage ich.
    »Keine Panik«, sagt das Känguru. »Ich glaub, er ist grad wieder ausgegangen.«

Als das Känguru nach Hause kommt, habe ich die Küche blitzblank geputzt und räume gerade die Spülmaschine aus.
    »Kann ich dir helfen?«, fragt das Känguru.
    »Bin gleich fertig«, sage ich.
    »Soll ich das Bad putzen?«
    »Hab ich schon.«
    »Wäsche waschen?«
    »Schon gemacht.«
    »Müll runterbringen?«
    »Bereits erledigt.«
    »Ich finde es wirklich toll, dass du diesen Buchvertrag bekommen hast«, sagt das Känguru und setzt sich auf die Eckbank.
    »Haha«, sage ich. Seit dem Tag, an dem ich den Vertrag unterschrieben habe, nehme ich jede Gelegenheit wahr, die mich davon abhält, an dem Buch arbeiten zu müssen. Konnte ja nicht ahnen, dass es mir eine solche Mühe machen würde, meine eigene Handschrift zu entziffern. Und dann natürlich noch mein alter Feind aus Kindertagen: die Zeichensetzung.
    »Darf ich mal?«, fragt das Känguru und klappt, ohne die Antwort abzuwarten, mein Notebook auf. Es fängt an, das Manuskript zu lesen. Zwischendurch murmelt es vor sich hin:
    »Das ist aber nicht ganz korrekt hier.«
    »Das versteht doch in zwei Jahren schon keiner mehr.«
    »Das bedarf auch einer Richtigstellung.«
    »Du kannst ja Fußnoten schreiben«, sage ich genervt. 12
    »Ja. Warum nicht«, sagt das Känguru. »Das ist gar keine schlechte Idee.«

Weitere Kostenlose Bücher